Klinsmann: "Wir schämen uns"27. März 2005 In der Sporthalle neben dem Stadion von Celje berichtete Franz Beckenbauer den Slowenen in bester Laune von der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 unter dem Motto: „Die Welt zu Gast bei Freunden”. Da hatte der „Kaiser” allerdings noch keine Ahnung, was sich vor der Tür abspielte.
Denn vor, während und nach dem Länderspiel der deutschen Nationalmannschaft in Slowenien (0:1) ramponierten ausgerechnet deutsche Krawallmacher den Ruf eines freundlichen Deutschlands 15 Monate vor der Weltmeisterschaft nach Kräften.
Hotel verwüstet
Abpfiff nach Spielschluß: Polizisten führen einen randalierenden Fan abMehr als 50 Festnahmen, zwei verletzte Polizisten, kaputte Stühle, rassistische Schmäh-Rufe und Leuchtraketen im Stadion, ein verwüstetes Hotel, zerbrochene Ladenfenster und zerstörte Autos in der Stadt: Eine Horde deutscher Randalierer konnte im kleinen und beschaulichen Celje erschreckend mühelos wüten.
„Da hat eindeutig das Zusammenspiel zwischen den deutschen und den slowenischen Sicherheitskräften nicht funktioniert. Das darf nicht passieren. Jeder einzelne der deutschen Hooligans war bekannt. Die Situation wurde unterschätzt”, sagte WM-OK-Chef Beckenbauer nach der Partie geschockt. „Das ist eine ganz, ganz traurige Angelegenheit, da schämt man sich”, betonte Gerhard Mayer-Vorfelder.
Mayer-Vorfelder bedroht
Auch im Stadion randalieren deutsche HooligansDer Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), der sich sogleich offiziell für die Vorfälle entschuldigte, geriet sogar selbst in Gefahr. Als er nach dem Spiel das Pressezentrum neben dem Stadion verließ, wurde er von ein paar Randalierern so heftig bedrängt, daß Ordnungskräfte eingreifen mußten.
„Man muss sich schämen für diese so genannten Fans und offiziell entschuldigen bei den Slowenen. Das sind Verrückte, die den deutschen Namen so kaputt machen. Das erschüttert mich”, erklärte Gerhard Mayer-Vorfelder. „Es ist eine mittlere Katastrophe.”
„Eine mittlere Katastrophe”
Aus ihrer Mitte wurden Leuchtraketen auf Spielfeld geschossen„MV” kündigte am Tag danach an, dass er einen Brief an den Innenminister schreibe wolle, „weil ich mir Sorgen mache im Hinblick auf die WM 2006.” Mayer-Vorfelder fürchtet den „psychologischen Schaden in der Welt”.
Bundestrainer Jürgen Klinsmann entschuldigte sich bei nach dem Spiel offiziell bei den slowenischen Gastgebern und distanzierte den deutschen Fußball von den Krawallmachern.
Sicherheitskräfte beobachten während des Spiels die Schreihälse im deutschen Fanblock„Das tut uns sehr, sehr leid, dafür schämen wir uns. Das gibt ein sehr schlechtes Bild für uns, vor allem als Gastgeber der Weltmeisterschaft 2006. Das hat absolut nichts zu suchen bei uns, bei den Länderspielen und im Sport generell,
nirgends.”
FassungslosigkeitFassungslos kommentierte auch der DFB-Sicherheitsbeauftragte Alfred Sengle die Vorgänge rund um die kleine Petrol-Arena. „Ich schäme mich sehr”, erklärte er, verwies allerdings darauf, dass der DFB vor der Partie alles in seiner Macht stehende getan habe, um Vorfälle dieser Art zu verhindern.
Auch Franz Beckenbauer zeigte sich entsetzt: „Ich glaube, von den deutschen Sicherheitskräften wird alles getan. Ich weiß, daß sie unglaublich gut sind. Dafür sorgt schon unser Innenminister. Ich denke, daß Otto Schily jetzt sehr wütend sein wird”, sagte der Präsident des WM-Organisationskomitees.
DFB-Mediendirektor Harald Stenger sagte, man habe die Slowenen darauf hingewiesen, daß sich 200 bis 250 „so genannter Problemfälle” aus Deutschland auf den Weg Richtung Celje gemacht hätten. „Aber wir haben keine rechtliche und tatsächliche Handhabe, um diese Leute von der Einreise abzuhalten”, verdeutlichte Sengle die Problematik.
In Handschellen abgeführtBereits vor der Partie war es in der Innenstadt zu ersten Ausschreitungen gekommen. Zunächst zwischen zwei rivalisierenden deutschen Gruppen, dann zwischen den Randalierern und der Polizei von Celje. Zwei Polizisten und ein Deutscher wurden dabei leicht verletzt. Insgesamt 38 Personen verhafteten die Sicherheitskräfte noch vor der Partie, im Stadion weitere zwölf.
Nach der Partie mußten mehrere Rowdys nach Schlägereien mit der Polizei in Handschellen abgeführt werden. „Ich weiß nicht, was das für Menschen sind”, erboste sich Nationaltorhüter Oliver Kahn.
„Was sind das für Menschen?”Der DFB hatte für das Spiel 750 Karten abgesetzt, weil aber auch an der Abendkasse noch Tickets erhältlich waren, befanden sich nach Schätzung von Sengle schließlich insgesamt rund 1400 Deutsche im Stadion. Viele der an den Kassenhäuschen erworbenen Karten waren offenkundig von den Randalierern gekauft worden, unmittelbar nach dem Beginn der Partie schossen die Krawallmacher aus dem deutschen Block erst mehrere Leuchtraketen aufs Spielfeld, anschließend rissen sie Stühle auf der Tribüne aus der Verankerung.
Erst nach etwa 20 Spielminuten bekamen die Ordnungskräfte im Stadion die Situation in den Griff: Teile des deutschen Blocks auf der Tribüne wurden geräumt. „Es war so weit, daß einige deutsche Zuschauer Angst vor den eigenen Fans haben mußten”, sagte Sengle.
Der DFB-Sicherheitsbeauftragte hatte die slowenischen Behörden nach den Ausschreitungen im Stadtzentrum sogar noch darum gebeten, die Sicherheitsvorkehrungen rund um das Stadion zu verstärken, „um die Lage zu deeskalieren”.
WiederholungstäterDeutsche Hooligans haben in der Vergangenheit schon häufiger für schwere Ausschreitungen gesorgt. Bei der Weltmeisterschaft 1998 prügelten die Hooligans nach dem Vorrundenspiel gegen Jugoslawien in Lens den Polizisten Daniel Nivel halbtot.
In Zusammenhang mit den Krawallen wurden 93 Personen festgenommen. Auch bei der Europameisterschaft 2000 sorgten deutsche Fans am Rande des Vorrundespiels gegen England in Charleroi für Randale. 98 Anhänger aus Deutschland und England wurden verhaftet.