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Vollständige Version anzeigen: Der große Lauschangriff
Chris
Befürworter hatten es ja immer bestritten. Überwachungsmöglichkeiten dienen nur zum Wohle des Volkes. Ein Mißbrauch kann, dank strenger Regelungen und der Notwendigkeit eines richterlichen Befehls nicht auftreten.

Denkste. Italien macht es vor. Seit 1997 wird das Überwachungssystem von Privatpersonen genutzt, um vom Angestellten bis zum hohen Politiker auszuspähen, was irgendwie brauchbar sein könnte. Diese Telefondaten wurden mit weiteren sensiblen Daten des Militärgeheimdienstes sowie der Steuerbehörden und des Innenministeriums komplettiert. Alle so gesammelten Daten gingen vermutlich nur für Geld an irgendwelche Auftraggeber.
http://www.spiegel.de/panorama/justiz/0,1518,438499,00.html

Auch die Tschechische Republik hält sich nicht hinter dem Berg. Illegal wurden 20 Abgeordnete und Journalisten abgehört, bei einem Abgeordneten wurden brisante Dokumente kurz vor der Wahl veröffentlicht und sorgten so vermutlich für dessen Niederlage.
http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,438524,00.html

Und weil es keine Geschichte ohne Moral gibt, kommt diese hier:
http://www.golem.de/0602/43086.html
http://www.computerpartner.de/produkteundt...1119/index.html
Hrothgar
Auch wenn das jetzt ein Riesenskandal ist, was hat das jetzt mit den üblichen Diskussionen um staatliche Überwachung zu tun. Hier haben Privatleute mit Zugriff auf sensible Daten Schindluder getrieben, nicht der Staat selber. Es sind ja Reihenweise Politiker selber betroffen.

Ich finde schon, das das ein wichtiger Unterschied ist.

Backbone
Chris
Es geht generell um die Überwachung. In vielen Staaten wird die Überwachung ausgebaut, zum Schutze vor kriminellen/terroristischen Machenschaften. Die Beispiele zeigen dass, was Datenschützer schon immer vorrausgesagt haben. Theoretisch jeder kann auf die Daten zugreifen. Ein effektiver Schutz besteht nicht, es ist noch nicht einmal der Fall, dass ein Mißbrauch schnell auffällt. So kann das Instrumente, dass uns doch vor Terrorismus und anderer Kriminalität schützen soll, schnell und effektiv von kriminellen Objekten eingesetzt werden kann.

Der Spiegel spricht von zehntausenden Überwachten und einem Verkaufserlös von 20 Millionen Euro. Würde pro überwachter Person 2.000 Euro bedeuten, ein Preis der schon für einen Privatmann erschwinglich wäre.

In anderer Hinsicht würde natürlich eine grenzenlose Überwachung auch Vorteile bieten. Wenn jeder Zugriff auf solche Daten hätte, würde kein Politiker bzw. sonstige im öffentlichen Interesse stehende Person es mehr wagen krumme Dinge zu treiben.
Hrothgar
Offensichtlich habe ich mich nicht klar genug ausgedrückt. Es geht hier gar nicht um die sonst immer diskutierte Überwachung, sondern etwas völlig anderes. Hier ist es Schwerkriminalität. Das darf man nicht mit den Begehrlichkeiten der Staatsorgane durcheinander werfen.

Wie wölltest du denn es verhindern wenn ein Topmanager deines Handybetreibers beschließt, Daten über dich zu sammeln, oder dein Vermieter, oder der Chef von Prüfungsamt. In modernen Gesellschaften gibt es sensible Daten ohne Ende und wenn jemand der Zugriff darauf hat beschließt, die zu missbrauchen hat man eh verloren. Dafür gibts dann ja Gesetze.

Mit dem immer diskutierten Ausbau der Überwachung (den ich übrigens strickt ablehne) hat das aber nichts zu tun.

Hrothgar
Chris
Natürlich hat es genau mit dem Ausbau der Überwachung etwas zu tun. Denn der Ausbau der Überwachung resultierte nicht zuletzt in der Schaffung einer einheitlichen Datenschnittstelle, mit der man alles ganz einfach abhören kann.

Natürlich könnte ein Topmanager oder mein Vermieter oder das Prüfungsamt Daten über mich sammeln und diese verkaufen. Allerdings sind die Daten von meinem Vermieter oder meinem Prüfungsamt von minderer Qualität und Interesse. Warum? Der Personenkreis für den diese Daten interessant sein könnten, ist relativ klein, außerdem hat man nur einen relativ kleinen Ausschnitt über mich. Was weiss den schon mein Vermieter über mich, außer meine Schufa Daten (die sowieso jeder bekommen kann, mit dem ich ein Geschäftsverhältnis eingehe). Auch die Noten, und eventuellen Prüfungsverhalten, die das Prüfungsamt über mich herausgeben könnte, wären höchstens für meinen Arbeitgeber nach der Uni interessant. Die Noten bekommt er sowieso, das Prüfungsverhalten . .nunja ..es ist einfach billiger ein Asessmentcenter zu veranstalten, als für 200 Bewerber jedes Prüfungsamt zu bestechen.
Nur bei dem Topmanager der Handyfirma gäbe es durchaus einen realistischen Anreiz eine Überwachung durchzuziehen. Ein solcher nicht-alltäglicher Ablauf würde aber durchaus eine Menge Mitwisser anziehen, so dass zu erwarten ist, dass eine solche Praxis schnell auffliegen würde.

Der Staat aber hat ein System aufgesetzt, dass die Überwachung zu einem alltäglichen Vorgang macht. Wer überwacht werden soll, kommt normalerweise vom Gericht, wird an höhere Stelle geprüft. Die Untergebenen bekommen nur einen Anschluss genannt. Das macht die ganze Sache einfacher, denn der Personenkreis, der in das Geschäft eingeweiht werden muss, ist sehr gering (der Spiegel spricht hier von 21 Personen).

Klar gibt es auch andere Möglichkeiten der Überwachung, die auch ausgenutzt werden, die aber weitaus teuerer und aufwendiger sind, als einer Person 2.000 Euro zu überweisen und dafür die Daten von Geheimndiensten und Telefonüberwachung auf dem Silbertablett präsentiert zu bekommen.
abadd0n
Zitat(Hrothgar @ 22 Sep 2006, 09:40)
.. um staatliche Überwachung zu tun. Hier haben Privatleute mit Zugriff auf sensible Daten Schindluder getrieben, nicht der Staat selber...*

Well, das geht Hand in Hand. Aus zweierlei Gründen: Erstens tolerieren Politiker (mindestens, wenn nicht fördern) zumeist den Ausbau von entsprechenden "Sicherheits"massnahmen.
Zweitens gibt der Staat im Sicherheitssektor auch zunehmend Verantwortung aus der Hand. Das beginnt bei der Post, geht über die Medien und Polizei (Bsp.) bis hin zum Militär (Bsp.)
Zitat(Chris @ 22 Sep 2006, 12:38)
..sind die Daten [..] von minderer Qualität und Interesse. Warum? Der Personenkreis für den diese Daten interessant sein könnten, ist relativ klein, außerdem hat man nur einen relativ kleinen Ausschnitt über mich.*

*Hrhr, meinste? Viele kleine, wertlose Informationen ergeben mindestens eine wertvolle Information cool.gif

#abd
Chris
Zitat(abadd0n @ 22 Sep 2006, 17:01)
*Hrhr, meinste? Viele kleine, wertlose Informationen ergeben mindestens eine wertvolle Information  cool.gif
*

Natürlich. Je mehr Informationen ich verkette desto mehr weiß ich über eine Person. Man kann auch nicht leben, ohne immer ein bisschen Information über sich preiszugeben (zumindest nicht, wenn man ein normales Leben führen möchte). Der Aufwand zum Erhalt dieser Daten ist allerdings groß genug, dass es nur gemacht wird, wenn das Wissen über eine bestimmte Person eklatant wichtig ist.