Chicago stellt Freier an den "Internet-Pranger"
Von Carsten Schmiester, NDR-Hörfunkkorrespondent, Washington
Steven Ellison lebt in der Rockwell Street in Chicago, er ist 40 Jahre alt - und neben anderen Männern aus der Stadt eine unfreiwillige Internet-Berühmtheit. Polizisten hatten ihn als Freier, oder "John", wie man hier sagt, in den Armen einer Prostituierten erwischt. Das war bisher schon unangenehm, aber jetzt ist es auch noch peinlich, denn Chicagos Polizeichef Phil Cline greift zu ungewöhnlichen Methoden: "Wir lochen Euch nicht nur ein, wir beschlagnahmen nicht nur Euer Auto", droht er düster, "wir veröffentlichen Euer Portrait im Internet! Damit es jeder sieht, und zwar auf der ganzen Welt."
Die Seite wird täglich aktualisiert, die Fotos bleiben 30 Tage lang online. Ein moderner Pranger im Kampf gegen die Prostitution, die in Chicago wie fast überall in den Vereinigten Staaten verboten und dennoch weit verbereitet ist. Bisher hatten die Behörden vor allem die Damen und Herren des Gewerbes im Visier, aber das hat nicht wirklich geholfen, also wird jetzt Jagd auf Kunden gemacht.
Die Stadt kümmert sich um ihre Bürger
Schluss mit Lustig, so Bürgermeister Richard Daley: "Wenn Sie sich mit einer Prostituierten einlassen, werden sie verhaftet und alle werden es erfahren: Ihre Frau, ihre Kinder, die ganze Familie, Nachbarn und auch ihr Chef." Chicago sei eine Stadt, die sich um ihre Bürger kümmert, meint der Bürgermeister, so oder so.
Die Internet-Pranger-Aktion soll helfen, die Zahl der illegalen Prostituierten - viele von ihnen sind drogenabhängig - deutlich zu verringern. Noch sind es nach Schätzungen mehr als 16.000. Dem stehen knapp 1000 "Johns" gegenüber, die durchschnittlich pro Jahr festgenommen werden und von nun an auch noch für einen Monat in der Internet-Porträtgalerie der Polizei zu begaffen sind.
Nicht alle sind begeistert
Deborah Minervini, eine Ex-Prostituierte, die heute anderen Frauen hilft, aus dem Milieu herauszukommen, findet die Idee gut: "Wenn den Männern klar wird, dass ihr Tun nicht länger geheim bleibt, dann wird es wohl wenigstens ein paar Freier weniger geben."
Und was sagen die "Johns"? Natürlich nichts, wie denn auch! Offiziell gibt es sie ja gar nicht. Aber es gibt Leute wie Samir Goswami, die geschnappten Freiern als Anwalt zur Seite stehen - und sich Sorgen machen. Es könnte nicht besser, sondern schlimmer werden für die Prostituierten, die schon jetzt oft Opfer von Gewaltverbrechen sind. Der eine oder andere per Internet "bloßgestellte" Mann könnte am Ende richtig durchdrehen, befürchtet Goswami: "Wenn es jeder weiß, ist sein Leben ruiniert und vielleicht lässt er seine Wut beim nächsten Mal an einer Prostituierten aus."
Quelle: http://www.tagesschau.de/aktuell/meldungen/...
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