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Gisbert zu Knyphausen

So., 04.05.2008 - Club Bärenzwinger
off Bärenzwinger | post 25 Mar 2008, 11:11 | Themenlink
Gisbert zu Knyphausen
Club Bärenzwinger
am Sonntag den 04.05.2008
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gisbert zu knyphausen




„Junge Männer – die gefährlichste Spezies der Welt“ alarmierte vor einigen Wochen ein Hamburger Nachrichtenmagazin seine Leser. Als würden halbwüchsige Killer in Rudeln durch die Straßen streifen, immer auf der Suche nach Opfern und stets mit Lust auf den schnellen, ultrabrutalen Kick. Man könnte endlose Abhandlungen schreiben, über diese Projektionen und Angst-Phantasien. Doch wir wissen nur zu gut, dass junge Männer auch die liebenswerteste Spezies der Welt sein können. Um den Beweis anzutreten stürzen wir uns ins Hamburger Karo-Viertel, wo sich die Guten und die Bösen manchmal um ein und denselben Tresen drängen.

In einem leicht futuristischen Neubau – der zwischen den ganzen abgefuckten Altbauten und brutalen jüngeren Architektur-Verbrechen regelrecht herausstrahlt – befindet sich der Plattenladen „Hanseplatte“. Hier wird noch immer Vinyl bevorzugt und kompetente Beratung versteht sich von selbst. Viele Bands, deren Musik hier verkauft wird, schauen auch selber gerne mal rein – als Kunden.

Heute hat „Hanseplatte“ länger geöffnet, denn heute ist Konzert. Aber vielleicht ist Konzert ja auch ein viel zu großes Wort für dieses intime Zusammentreffen von vielleicht 60 oder 70 jungen Menschen. Sie kauern auf dem Fußboden, sitzen auf dem Tresen, quetschen sich im Raum. Ein paar notorische Raucher stehen sogar vor der Tür, wo man auch noch ganz gut hört. Und das alles wegen eines 28-jährigen Songwriters, der bisher bloß ein paar Songs in Eigenregie veröffentlicht hat: Gisbert zu Knyphausen. Ja, den Namen kann man sich ruhig erst mal auf der Zunge zergehen lassen, denn er ist nicht nur klangvoll, sondern auch so echt und authentisch wie der junge Mann selbst. Gisbert sieht ein bisschen so aus, wie Hollywoodstars auf Paparazzi-Fotos: Leicht verstrubbelt und verstoppelt, verwaschene Jeans, verkrumpeltes T-Shirt – was ihm verdammt gut steht. Doch die vielen Mädchen im Publikum sehen in ihm trotzdem keinen Posterboy, sondern einen Musiker und Songwriter, dessen Lieder sie so gut kennen, dass manche mitsingen oder sich bestimmte Songs wünschen.






Gisbert zu Knyphausen kommt ursprünglich aus dem hessischen Rheingau und wohnt jetzt (nach zwischenzeitlichen Aufenthalten in Berlin und Nijmegen) seit einem knappen Jahr in Hamburg. Er tritt zwar meist mit seiner vierköpfigen Band auf, doch heute ist der 28jährige ganz allein. Seine alte Fender E-Gitarre hat er in einen dieser kleinen Verstärker gestöpselt, die unter Musikern Brüllwürfel genannt werden. Das passt gut zu den Liedern, die wütend, zärtlich, rau und melancholisch sind. Meistens alles gleichzeitig. „Neues Jahr“ erzählt so von der Liebe in einer Silvesternacht: „Es ist 12, ich bin gespannt was sich ändert. Du bist gut drauf und mir ist kalt. Und die Nacht legt sich in bunte Gewänder, doch das wird langweiliger von Jahr zu Jahr. Und deine Hand fühlt nach, ob ich jetzt noch zweifle. Doch im Grunde ist’s dir egal“. Man spürt mit jedem Satz, den Gisbert singt, wie unsicher diese taufrische Beziehung ist und wie viel wichtiger der Moment, in dem das alles passiert. Fast hat man das Gefühl, der Sänger durchlebt diesen Song, beschreibt was er gerade sieht, fühlt und denkt. Nicht irgendwann früher, sondern: jetzt.

Gisberts Ansagen zwischen den Liedern sind entspannte Plaudereien. Warum hat der Kerl kein Lampenfieber, sind das alles seine Freunde? In gewisser Hinsicht wohl schon, denn MySpace hat zur Popularität des Herrn zu Knyphausen sicher auch eine Menge beigetragen. Die Süddeutsche Zeitung wusste so schon im letzten Sommer mit wem wir es hier zu tun haben: „Der interessanteste ungesignte Songwriter der Nation“.

Während Gisbert seelenruhig seine Gitarre stimmt, ruft es jetzt von hinten ein bisschen aufgeregt: „Cowboy! Spiel doch ma’ Cowboy“. Der Sänger, dessen Vorfahren seit 1350 immer wieder mal den ein oder anderen Minister, General oder Diplomaten zur Verfügung gestellt haben, grinst wissend. Eigentlich heißt der sehr leise Song „Wer kann sich schon entscheiden“. Aber unser Held gibt hier nun mal den ewigen Cowboy, einen bindungsunfähigen Kerl, der sich im Verlauf des Songs immer mehr nach menschlicher Wärme sehnt um zum Schluss – als es längst zu spät ist - resigniert festzustellen: „Ich will kein Cowboy mehr sein“. Eine wahre Geschichte, die laut Gisbert „übel in die Hose gegangen ist“.

Viele der Lieder auf Gisbert von Knyphausens Debütalbum sind sehr persönlich, haben ihren Ursprung im wirklichen Leben. Unnötig zu sagen, dass dieses Rohmaterial ausgesprochen poetisch und humorvoll verfeinert wird. „Anstatt Haare wachsen mir wundervolle Flausen aus dem Kopf“, singt er in „Flugangst“.

Vor drei Jahren hat Gisbert seinen ersten deutschsprachigen Song geschrieben – natürlich gab es vorher schon Schülerbands und ein paar halbgare Experimente auf englisch. Aber erst als es ihm einmal so richtig mies ging, fing er an Texte zu schreiben in denen immer wieder trotzige Melancholie anklingt, aber auch eine ungeschminkte Romantik. „Im Grunde bin ich ein optimistischer Mensch“, sagt er aber zur Sicherheit und auch Spiegel-Online weiß: „Knyphausen suhlt sich nie in seinen Niederlagen, er bewahrt sich eine Haltung, die ihn an ein Morgen glauben lässt. Bitte mehr davon!“ Aber klar doch! Vielleicht bedarf es einer Person wie Gisbert zu Knyphausen um das antiquierte Image des Liedermachers von seinem verstaubten Image zu befreien ?



„Sommertag, Sommertag“ wünscht sich jetzt lautstark einer der Fans in der Hanseplatte. Aber seinen mitreißendsten Song will Gisbert heute nicht spielen: „Das geht echt nicht, ohne Band“, sagt er. Stimmt. Auf dem Album ist „Sommertag“ nämlich ein gewaltiger, alles und jeden mitreißender Sommersturm. Die Gitarren brausen und heulen, während der Sänger immer wieder leidenschaftlich brüllt: „Und alles was mir dann noch übrig bleibt, ein bisschen Zweisamkeit als Zeitvertreib. Das bisschen Herzschmerz, das bisschen Herzschmerz tut doch gar nicht so weh“. In dem Theaterstück „Tanzen“, das mehrere Monate am Saarländischen Staatstheater lief, war „Sommertag“ so eine Art Motto-Song. Die letzte Vorstellung im Februar hat der Songwriter dann auch live begleitet. Theatermusik reizt den abgebrochenen Musikwissenschaftler sehr.

Es gäbe jetzt noch so viel zu sagen, zu den Liedern von Gisbert zu Knyphausen. Etwa wie wunderbar ihm das Selbstgespräch in „Spieglein, Spieglein“ gelungen ist. Oder, dass er „Gisberts Blues No. 135“ am liebsten singt, was kein Wunder ist, bei so schönen Formulierungen wie, „Ich will dein letztes Jagdwild sein“.
Doch das kuschelige kleine Konzert ist jetzt zu Ende, die Zuschauer strömen nach draußen und alle ahnen, dass Gisbert in Zukunft in größeren Locations spielen wird. Manchmal liegt die Gefährlichkeit der jungen Männer eben auch in ihrem Charme und ihrem Talent.
Eintritt: 6.00 €
Beginn: 19:00 Uhr
Location: Club Bärenzwinger www.baerenzwinger.de
Adresse: Brühlscher Garten 1, 01067 Dresden
ProfilPM
 
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