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Coriolanus

06. bis 07.12.2008 - die bühne - Das Theater der TU
off die-buehne | post 12 Nov 2008, 21:16 | Themenlink
Coriolanus
die bühne - Das Theater der TU
vom 06. bis 07.12.2008
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Frisch und frei nach Shakespeare

Von einem, der nicht spricht, wie er soll, und davon, was die anderen davon halten.
In einer Republik, in der die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinandergeht, in der sich die Eliten auf Kosten des Volkes bereichern (für das der Unterschied zwischen Auswandern und Dableiben nur darin liegt, dass das Woanders noch hoffen lässt), in einer Republik, in der die da oben denen da unten Märchen erzählen von der gerechten Verteilung der Steuerlast, in so einer Republik spielt Shakespeares Coriolanus.

Coriolan ist ein Held, einer vom alten Schlage. Er verlangt von anderen, was er selbst auch leistet. Es geht ihm nicht um Geld. Er ist ehrlich, geradeheraus, und die Journaille und ihre Expertenrunden sind ihm ein Gräuel. Und nebenbei gewinnt er auch noch einen Krieg. So einen müsste das Volk doch gut finden. Endlich mal einer, der nicht lügt. Endlich mal kein Schwätzer; Coriolan ist mehr der Machertyp. Perfekt.

Die Sache hat nur einen Haken: Coriolan ist ein Mann, der sagt, was er denkt; Coriolan ist aber auch Elite. Da bekommt das arbeitsscheue Prekariat, das ewig nörgelnde, schon mal sein Fett weg. An sich wäre das nicht so schlimm - wen interessieren schon die Hungerleider? - wenn es da nicht das Problem mit den Stimmen gäbe. Denn nach Coriolans Sieg ist eines klar: Coriolan muss Konsul werden. Seine Mutter will es so. Eigentlich wollen es alle so. Außer dem Volk, das seiner Wahl noch zustimmen muss. Doch Coriolan hat vielleicht ein geschliffenes Schwert, wohl aber keine geschliffene Zunge - das Schönreden, das Anbiedern, das Kokettieren mit dem Pöbel ist seine Sache nicht.

Eine Welle der Entrüstung fegt durch Rom: "Er will uns keine Märchen erzählen!" Kurzum: Coriolan wird nicht Konsul, sondern Hochverräter. Er entzieht sich dem Staat, läuft zum Feind über und will die Republik und das Volk von Falschwählern dem Erdboden gleichmachen.

Taktisch ist das unklug, findet seine Mutter. Seine Familie überredet ihn, noch einmal vom Genozid abzusehen - das ist keine ehrenvolle Beschäftigung für einen Sohn aus gutem Hause. Frieden stiften soll er zwischen den Völkern, das macht sich besser. Doch er ist zu weit gegangen. Er wird festgesetzt. Und jetzt?

Coriolanus, geschrieben im jakobinischen England, spielt im alten Rom und ist immer heute. Eine von Shakespeares letzten Tragödien, selten gespielt, aber oft ideologisch instrumentalisiert. Die Nazis, Brecht, und wer weiß wer haben sich daran versucht. Heute hat man keine Ideologie. Man liest den Spiegel.

Doch dies ist keine Sozialkritik. Die Parallelen sind rein zufällig. Herrn Zumwinkel gab es noch gar nicht, als wir uns für das Stück entschieden. Doch spätestens jetzt ist allen anscheinend klar: Da ist etwas faul im Staate.

Nur was? Wo ist da was schiefgegangen? Was machen wir mit denen, die zugleich Stellvertreter und Verräter des Systems sind? Was, bitteschön, ist denn Gerechtigkeit? Und zu guter Letzt: Will Mami wirklich immer nur unser Bestes?

Coriolanus. Im Anschluss mit Expertenrunde und Zuschauervoting.
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