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post 09 Nov 2010, 05:01
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alleingelassen.
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Punkte: 9584
seit: 22.10.2004

Präambel
Wahrscheinlich wird mir myrmikonos den Kopf abreißen, wenn von mir ein Review kommt, bevor ich nicht Mr Nobody abgehandelt habe, aber das Risiko muss ich eingehen. Spontan herunter getippte Kritiken sind eher mein Fall als geplante. Eigentlich sollte ich auch schon schlafen, als ich begann, den TV-Krimi zu schauen. Normalerweise sind Fernsehserien diese Art auch keiner Entäußerung würdig, dienen sie doch einfach nur der Unterhaltung, oder? Hier liegt der Fall aber anders: Meine - wohlgemerkt spontane - Begeisterung geht so weit, dass ich mich dazu hinreißen lasse zu sagen, "hier wurde Fernsehgeschichte endlich mal wieder neu geschrieben".

Mehr aus Einsamkeit hatte mich der Kommentar eines sehr guten Freundes auf einem Webportal neugierig gemacht. Er schrieb: "Man nehme die Fieslinge Stromberg, Dr. House, Dr. Cal Lightman aus 'Lie To Me', mixe sie mit Hercule Poirot und Columbo und man erhält etwas ganz eigenes. Man könnte meinen, Agatha Christie hat den Plot geschrieben. Mir gefällt diese Kriminalunterhaltung!"

Nun ist es so, dass jener Freund selbst ein profunder Kenner der Sache im Speziellen wie auch im Allgemeinen ist. Ich formuliere das bewusst so diffus, denn die Umstände sollen hier nur angedeutet sein. Eigentlich geht es ja nur um den neusten Clou eines Privatsenders unter dem Titel "Kreutzer kommt". Nun habe ich mit dem Zitat meines Freundes oben eigentlich schon die prägnanteste Zusammenfassung vorweggenommen, möchte mich aber dennoch in einer Beschreibung des Pilotfilms auslassen.

Der Pilotfilm
Zunächst ist da ein äußerst wandlungsfähiger Kommissar Kreutzer nebst einer Assistentin mit dem Charme und der Cleverness eines Bondgirls, die anmutet, als sei sie dem nächst blassesten Friseursalon um die Ecke entsprungen. Nachdem ein hinreichend klassischer Spannungsbogen durch einen Mord in einem Hotel aufgebaut wird, findet sich der Zuschauer schon nach wenigen Minuten in einer grotesk anmutenden Inszenierung wieder und ist (hoffentlich) gefesselt.

Man findet sich wirklich in einem klassischen Krimi wieder. Allerdings ist es kein Tatort (sorry, bungle), sondern ein richtiger Krimi, der so weit entfremdet ist, dass er Spaß macht und Gelegenheit bietet, sich auf die Dramaturgie zu konzentrieren. Dennoch so realistisch, dass es immer wieder gelingt, neue Spannungsbögen und Wendungen zu konstruieren. Nachdem man sich damit abgefunden hat, dass die Ermittlungstafel von Kommissar Kreutzer eine Pinnwand in einer indischen Dönerbude ist und Präsident Putin Gemeinsamkeiten mit Pudding hat, "liest" man sich langsam in die Charaktere ein. Diese sind nicht zu detailgetreu gezeichnet, als dass es einem Spielfilm würdig wäre. Nein, hier ist wirklich nur ein TV-Krimi produziert worden. Mit viel Witz opfert sich der Kommissar einem gefühlten Dutzend selbst verschuldeter Nasenbrüche und kommt so allmählich des Rätsels Lösung an dem Mordfall näher.

Bei der Überführung des/der Täter schreckt der Kommissar vor nichts zurück. Da werden Klischees von schwarzen Musikern im Vergleich mit Ray Charles ebenso gnadenlos ausgespielt wie radikale Offenlegungen sexueller Präferenzen. Niemand bleibt verschont. Weder der Neger, der Schwule noch der Drogenabhängige. Doch der Figur Kreutzer gelingt es ebenso die wirklichen Probleme der Welt mit Scharfsinn aufs Korn zu nehmen: Waffen-, Menschen- und Drogenhandel spielen eine Rolle und werden süffisant aber bestimmt zerpflückt.

Kreutzer opfert sich auf. Nicht nur, weil er seine Nase im wahrsten Sinne des Wortes hinhält, sondern auch weil er sich ganz im Stil von Miss Marple in Situationen hineindenkt und die Rollen seiner eigenen Figur zu spielen versucht. Dem Schauspieler Christoph Maria Herbst gelingt das durchweg und das Drehbuch hat ihm diesmal auch manch plumpe Anzüglichkeit erspart, wie man sie noch aus der Serie "Stromberg" kennt.

Verschachtelt und raffiniert, leicht bekömmlich und witzig - so kommt diese neue Krimiserie daher. Dabei schafft sie es, dumme Stereotypen zu stilisieren und zugleich zum Nachdenken anzuregen.

Oder kennt ihr ein anderes Wort für Synonym?



#a


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..:: Wir sind gekommen Dunkelheit zu vertreiben, in unseren Händen Licht und Feuer ::..
ProfilPM
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post 09 Nov 2010, 09:53
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~Beastie Girl~
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Punkte: 13190
seit: 01.10.2003

entweder hab ich zu unaufmerksam zugesehen oder ich bin einfach noch nicht reif für diese art der krimi-unterhaltung, weil tatort.addicted. aber ich fand es grottig und hab nach 20minuten weggeschalten.


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[22:17] cantrella: ich bin der männergarten

bunglefever was here!

minilusch3n geschlüpft
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post 09 Nov 2010, 17:40
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undercover
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Punkte: 291
seit: 09.11.2004

Sehr gut abadd0n! Hab dem nichts hinzuzufügen.

Ich vermute, dass die Figur Kreutzer noch weiter ausgebaut werden wird. Ich glaube, an einer Stelle einen Hinweis auf sein Inneres entdeckt zu haben. Er schien für einige Sekunden verzweifelt. Natürlich nur, als er allein war und sich unbeobachtet fühlte. Denn: "Ein Kreutzer ist nicht schwach, er löst den Fall! In 4 Stunden, 37 Minuten, 48 Sekunden!"


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Löscht das Meer den großen Durst wenn man daraus trinkt?
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post 09 Nov 2010, 19:08
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tanzendes kind
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Punkte: 1089
seit: 11.01.2005

Kam nicht am Ende noch eine wahnsinnig tiefgründige Andeutung auf irgendwelche schrecklichen Geschehnisse in seiner Kindheit? Erinnere mich nicht mehr genau.

Ich fands auch großartig!


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du bist so schön, weil du lachst!


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post 09 Nov 2010, 19:45
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undercover
***

Punkte: 291
seit: 09.11.2004

Zitat(bea.floh @ 09 Nov 2010, 19:08)
Kam nicht am Ende noch eine wahnsinnig tiefgründige Andeutung auf irgendwelche schrecklichen Geschehnisse in seiner Kindheit?
*

Ich glaub, ja.
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