SIEG DER EXPERIMENTIERFREUDE
Außenseiter gewinnt wichtigsten Architekturpreis
Kalifornien jubelt - und alle Kunstfreunde außerhalb Amerikas reiben sich verwundert die Augen: Wer bitte ist Thom Mayne? Der Architekt, der viele amerikanische Regierungsgebäude entworfen hat, bezeichnet sich selbst als "Außenseiter" unter den großen Baukünstlern der Welt.Es ist nicht so, dass der Pritzker-Preis - auch "Nobelpreis der Architektur" genannt - regelmäßig in die USA geht. Vor 14 Jahren konnte sich zuletzt ein Amerikaner über die international wichtigste Auszeichnung freuen. "Das ist eine große Sache", sagte Thom Mayne dem britischen "Guardian". "Es liegt eigentlich nicht in meiner Natur, zu glauben, dass ich mich durchsetzen werde. Ich habe mich selbst immer als Außenseiter gesehen."

Lange Zeit sah das auch für Architekten und Architektur-Kenner so aus. Mayne wurde Ende der sechziger Jahre als Dozent an der California State Polytechnic University gefeuert. Er gründete daraufhin seine eigene Architekturschule. Dann wirkte er dreißig Jahre lang in aller Stille in seinem Architekturbüro "Morphosis" an der amerikanischen Westküste - bis er jetzt die Auszeichnung erhielt.
In den siebziger und achtziger Jahren war die Welt offenbar noch nicht reif für die abenteuerlichen, auf den ersten Blick unglaublich zerklüftet anmutenden Gebäude Maynes, die alles sein wollten - nur nicht einheitlich und harmonisch abgeschlossen. Mit Entwürfen von Architekten wie Daniel Libeskind, Zaha Hadid und Rem Koolhaas fanden Publikum und Auftraggeber Ende der neunziger Jahre zunehmend Geschmack an einem solchen Baustil.

Thom Mayne und sein Büro bauten die heute berühmte Diamond Ranch High School in Kalifornien und viele Regierungsgebäude in ganz Amerika, die in ihrer Verspieltheit und Experimentierfreudigkeit in seltsamem Kontrast zur machtbetonten, kraftvollen Politik der Bush-Regierung stehen.
Mit derselben Freude an der Auflösung fester Formen und Gebäudestrukturen hat Mayne auch das Hypo Alpe-Adria-Zentrum im österreichischen Klagenfurt gestaltet und ein Gebäude für die Kunstschule "Cooper Union" in New York. Anfang März bekam er den Zuschlag für das Parlamentsgebäude in Alaska.
Die Erfolge der letzten Jahre bestätigen den 61-jährigen Mayne in der Ansicht, dass Architektur ein "Ausdauersport" ist, in dem man durchaus ein paar Jahrzehnte für denselben Stil kämpfen muss, bevor er endlich Anklang findet. Dem "Guardian" sagte Mayne, er könne es selbst noch kaum glauben, den Pritzker-Preis gewonnen zu haben.
Neben Thom Mayne haben die mit 100.000 US-Dollar dotierte Auszeichung so bekannte Architekten wie Philip Johnson, James Stirling und der erst Anfang der Woche verstorbene Japaner Kenzo Tange erhalten.