Ich werd wahnsinnig. Silvester. In sechs Tagen. Seit einer Ewigkeit ein Jahreswechsel, den ich ohne einen festen Freund begehe. Kein Kuss um Mitternacht heißt das. Und keine heißen Liebesschwüre, kein Versprechen von ewiger Treue, kein Spontansex in der Speisekammer während draussen die kleinen Jungs ihre Raketen in den Himmel schiessen. Das wird hart. Ich bin eine Frau. Ich brauche einen Mann. Besonders zu dieser Jahreszeit. Beneidenswert all diese glücklichen Paare, denen man jede Sekunde auf der Straße begegnet. Ein Küsschen da, ein verliebter Augenaufschlag hier und ein Naserümpfen meinerseits. Im Sommer da sah das alles noch ganz anders aus. Plötzlich war man frei, kein Partner, der einen Tag und Nacht forderte, der jeden Schritt im Minirock, den man unternahm genauestens bewachte. Sonne, braun gebrannte Haut, gerade frisch Single geworden. Da wird einem nicht langweilig. Es gibt Männer wie Sand am Meer. Kleine, Große, Schlanke, Schöne, Braune, Besondere und ebendiese, die einem den Kopf verdrehen. Im Sommer kann einem schwindlig werden. Das waren schöne Zeiten. Jetzt ist tiefster Winter. Es ist eiskalt und wagt man sich tatsächlich mal auf die Straße, begegnet man allerhöchstens geschlechtslosen Pulloverbergen mit Mütze obendrauf. Und beim Blick in den Spiegel zeigt sich: Die Bräune ist verblasst, diese süßen Sommersprossen haben sich ganz und gar zurückgezogen, die Haare sehen sowieso mitgenommen aus und zu allem Übel gesellt sich auch noch dieser grässliche Winterspeck. Das ist eben das Problem, wenn man keine bessere Hälfte hat, man vertreibt sich die Zeit mit Schokolade essen und Traummänner aus Gummitieren basteln. Dass das nicht das Wahre sein kann, ist wohl klar. Und zuhause sitzen und auf Mr. Right warten, ist ganz bestimmt nicht die Lösung. Also rausgehen und sich von Mr. Wrong vernaschen lassen? Nanana, wir wollen es mal nicht übertreiben. Wichtigstes Utensil einer Single-Frau im Winter: das Telefon. Also Kerzen an, Vorratskanne Cappuccino in Reichweite und zurücklehnen. Ein Gespräch zwischen zwei einsamen Frauen läuft immer auf dieselbe Feststellung hinaus: Männer sind Schweine! Und: Ab morgen werd ich lesbisch! Doch vorher geht man noch einen Abend auf die Piste. Spaß haben. Ohne Menschen mit Penis. (Was ist das überhaupt für ein Wort?! Das kann ja nichts Gutes verheißen.) Also ab in die Stammkneipe, ein zwei Bananenweizen zum warm werden und als Höhepunkt einen Orgasmus. Alles ist toll. Ein richtiger Frauenabend eben. Da wird über diese aufgetakelte Blondine in ihren viel zu hohen Stöckelschuhen gelästert und über diese beiden Typen dort an der Bar gekichert. Wie gesagt. Typischer Frauenabend. Ach ja, und nachher gehen wir nach Hause und veranstalten eine Kissenschlacht. Wir brauchen keine Männer. Wir nicht. Komisch nur, am nächsten Morgen ruft ein Nicos an und sagt mir wie toll ich küssen könne. Nicos? Ja der, von gestern Abend. Mit dem ich so enthusiastisch diskutiert habe. Den ich mit meinem Lächeln bezirzt habe, und mit meinem unwiderstehlichem Augenaufschlag. Wenn er meint. Mein Name ist Hase, ich weiß von nichts... Wieder ein Mann mehr auf meiner Liste der Mr. Wrongs. Wie konnte das nur passieren. Eindeutig ein Orgasmus zu viel. So. Silvester also. In 6 Tagen. Lesbisch-werden wird wohl nichts. Und den Richtigen bis dahin finden ist ein Ding der Unmöglichkeit. Mission impossible. Ja, Tom Cruise wär nicht schlecht. Doch wer weiß, ob die Sekte ihm erlaubt den Jahreswechsel in Dresden zu zelebrieren. Also kein Mann zu Silvester. Mist, das klingt so endgültig. Die Frage ist, ist es auch endgültig? Wie wärs denn, wenn ich statt einem scheinbar ewig dauerndem Zungenkuss einfach ganz viele Küsschen an meine Freunde verteile. Aus Fröschen Prinzen mache. Und aus Fröschinnen Prinzessinnen. Wenn ich rausgehe und mit den kleinen Jungs Raketen in den Himmel schiesse. Und wenn ich mich mit meiner besten Freundin in die Speisekammer einschliesse um ausgiebigst über diesen neuen Mann zu reden, der eben auf der Party aufgetaucht ist.
dieser text ist rein fiktiv. er schildert nicht mein privatleben, ist aber journalistisch sehr wertvoll.
Immer wieder erfrischend, Anna Nym's Beiträge zu lesen.
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Es ist kein Narr der Possen reißt und auch kein Narr der Unsinn spricht. Der wahre Narr ist der, der meist nur staunt und blinden Glaubens ist. Eichenschild