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>Poetry Slam Literatur auf den Asphalt geworfen

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post 28 Feb 2006, 17:02
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Propagandapanda
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Punkte: 3074
seit: 17.11.2004

Underground Poesie

Sofort schiessen Bilder durch den Kopf. Schwarzgekleidete Beatniks mit Baskenmützen, eine verrauchte Kellerkneipe, ein Mensch, ein zersauster Rabe, liest Texte auf einer kleinen Bühne vor. Es geht um „Das System“ und „die Revolution“. Die Beatniks schnippen zu den Schlagwörtern mit den Fingern, lassen ab und an zustimmende Slang Begriffe durch den Raum fliegen. Der Bauarbeiter, zufällig am Tresen stehend, fragt sich was die ganze Scheiße eigentlich soll, stellt sich dabei vor wie er einer von den Künstlerbräuten live auf der Bühne diesen ganzen bornierten Unfug aus dem Kopf vögelt.

Marc Smith, Ex Bauarbeiter und Literat, hatte genug von den langweiligen Lesungen, welche er besuchte. Sein Ziel war es das Publikum aktiv in die Situation mit einzubeziehen. Im Green Mill Club in Chicago veranstaltete er 1986 den ersten Poetry Slam. Der Slam, ein feuriger Stilmix aus Lesung, Party und Performance, gewann schnell eine grosse Fangemeinde. Das System war denkbar einfach. Das Publikum wählte den besten vortragenden Autoren durch Applaus, Buh Rufe und dem vereinzelten Einsatz von Obst als Wurfgeschossen.Schnell verbeitete sich dieses ungewöhnliche literarische Format über Amerika und erreichte bald darauf den europäischen Kontinent. Angefangen mit Hamburg(Slamburg),Berlin und Köln existiert seit 2001 der Poetry Slam als feste Institution auch in Dresden.

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Livelyrix Poetry Slam in der Scheune

Die Palette der dargebotenen Texte reicht dabei von Romantik bis hin zur Pornographie, von der ernsten Verzweiflung eines Franz Kafka bis hin zum irrwitzigen Humor eines Walter Moers.
Um euch dieses Ereignis näher zu bringen, wird es in diesem Thread ab morgen eine Reihe zum Thema Poetry Slam geben. Angefangen mit einem Artikel zum letzten Slam vom 24.02. bis hin zu Textproben und Interviews lokaler und deutschlandweit bekannter Teilnehmer.
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post 01 Mar 2006, 20:59
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Propagandapanda
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Punkte: 3074
seit: 17.11.2004

Artikel von bea.floh

Poetry-Slam am 24.02. in der Scheune/Dresden
Mein erstes Mal


Was ist ein Poetry Slam?
Wer ist ein Poetry Slam?
Warum ist ein Poetry Slam?

Als allererstes Reizüberflutung. Schummriges rotes Licht im Eingangsbereich, der gutaussehende Garderobier. Die Treppe hoch, ein Becks. Und so viele Menschen. Die halbe Neustadt, mindestens.

Also los, schnell einen der Klappstühle besetzen. Die stehen in Reih und Glied vor der Bühne. Es sind viele, aber längst nicht genug. Am Ende wird der Raum nicht nur mit sitzenden, auch stehenden, hockenden (liegenden) Zuschauern prallgefüllt sein.

Spannung. Die Moderatoren lassen auf sich warten.

Endlich. Die beiden Männer betreten die Bühne. Der unglaublich lässig wirkende Stefan Seyfarth und der seine blonde Haarpracht schwingende Michael Bittner erklären den Slam-Jungfrauen die Regeln. Der Ablauf ist einfach. Und spannend.


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Stefan Seyfarth
beim Grand Slam of Saxony im Sommer 2005


Zunächst tragen die zehn Wettbewerbsteilnehmer ihre Texte vor.

Der Erste hats meist nicht leicht und darum erhalten Florian + Martin auch zweimal Applaus als sie von der Bühne gehen. Der Text, den sie erst am Nachmittag gemeinsam verfasst haben, wird mit jungenhaften Charme vorgetragen, ist aber zumindest beim ersten Hören konfus und undurchsichtig. Doch so solls wohl sein. Wirkliche Poesie versteht man nicht.

Interessant wird’s, als ein Chemnitzer Belorusse die Bühne betritt, im Arm einen Vogelkäfig, rote Brille auf der Nase. Liest Textfetzen auf Russisch und Deutsch und lässt kleine Papierflieger ins Publikum segeln. Leichte Belustigung. Den Sinn verstehen? Nöööö.
Als er fertig ist, Applaus.
Er schmeisst den Käfig auf den Boden.
Springt wie ein Wilder draufrum.
Und kickt das Teil ins Publikum.

Das ist Kunst. Selbst die Moderatoren sind ein wenig verstört.

Volker Strübing ist ein äußerst bekannter und erfolgreicher Slammer, so wird erzählt. „Könnt ihr nichtmal alle die Fresse halten“ beginnt er und heißt sein Text. Der Berliner überzeugt. Der erste Favorit.

Ins Finale können und kommen aber nur drei Poeten. Am Einlass hat jeder Besucher einen Pfennig erhalten. Mithilfe des kleinen Geldstückes wird nun für einen der Slammer gestimmt.

Frank Klötgens plastischer Text „Muckefuck“, Nora Gommringers „Liebe ist ein Scheiß“ und Mareike Schneiders Text über die beinamputierte, fette Liebessuchende bringen ihre Autoren in die Endrunde.

Jeder der drei Finalisten hat nun die Möglichkeit einen weiteren eigenen Text an Mann und Frau zu bringen und diese endgültig zu überzeugen.

Klötgen versucht dies mit einem Gedicht über den Berliner Wald. Nicht schlecht, auch die Zuschauer dürfen mal ein bisschen rumschreien.

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Frank Klötgen

Frauen sind selten in der Szene.

Nora Gommringer ist die Queen der Slammer. Die Bambergerin hat bereits zahlreiche Slams gewonnen, ist sogar von Beruf Autorin. Rundum perfekt. Wirft auch mal ihre beeindruckende Lockenpracht nach hinten und jault wie ein Wolf. Die Frau kanns, das hört und sieht man.

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Nora Gomringer (links)
mit ihrem Team
"Tha Boyz with tha Girlz in tha Back"



Aber auch Mareike Schneider aus Leipzig weiß, was sie tut. Die junge Frau kommt mit einem Bier in der Hand auf die Bühne und steckt sich während des Vortrags eine Zigarette an. Sie ist cool, genauso wie ihre Geschichte über den Polen und seinen hässlichen Hund, der aussieht wie sich die Erzählerin im Text fühlt.


Nun ist es soweit, die Zuschauer müssen ihre Entscheidung fällen.
Klötgen und seine beiden Mitstreiterinnen treten gemeinsam auf die Bühne.
Gewinnen wird, wer den lautesten und überzeugendsten Applaus erntet.

Die Zuschauer johlen und klatschen.
Alle drei waren gut.
Klötgen wird dritter. Die Entscheidung zwischen den beiden Frauen ist knapp. Zweimal möchten die Autoren den Applaus hören, am Ende gewinnt Mareike Schneider.
Sie bekommt eine Flasche Whiskey und die Anthologie zu den Poetry-Slam-Meisterschaften „Slam 2005“. Strahlend verlässt sie die Bühne.

Das war also mein erstes Mal beim Poetry Slam.
Beeindruckend. Faszinierend. Mitreissend.

Am 31.03. ist es wieder soweit. Und ich werde auf jeden Fall dabei sein.
Wer so etwas noch nie erlebt hat, sollte kommen.

Ich meine...wer will schon ewig Jungfrau bleiben?
ProfilPM
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Beiträge
Pusteblumenkohl   Poetry Slam   28 Feb 2006, 17:02
bea.floh   der pusti hat heut seinen kreativen tag *neid* ab...   28 Feb 2006, 17:23
Fuchs   Jow! Bin gespannt!   28 Feb 2006, 18:19
Pusteblumenkohl   Artikel von bea.floh Poetry-Slam am 24.02. in der...   01 Mar 2006, 20:59
Phidias   :blink: ui, schau an, na da binsch gespannt .......   02 Mar 2006, 01:53
Pusteblumenkohl   hui da hat mir die bea nen richtig tollen artikel ...   02 Mar 2006, 16:14
Pusteblumenkohl   RE: Poetry Slam   09 Mar 2006, 18:12
Pusteblumenkohl   man kann es auch als Bukowski like sehen teilweise...   11 Apr 2006, 17:08
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