
Straight Esh         
Punkte: 14030
seit: 01.10.2003
|
Die Antwort kann ich geben. Es gibt einen Grund, warum es in Deutschland keine Softwarepatente gibt. Denn ein Patent sieht eine gewisse Erfindungshöhe vor. Der zweite Grund ist, dass Patente in Deutschland technisch implementiert sein müssen. Diesen können wir aber mal außer Acht lassen, wenn wir uns über Patente weitläufiger Gedanken machen.
Nun, der erste Teil, der in Erfindungshöhe zu finden ist, ist das Wort Erfindung. Was beschreibt eine Erfindung? Es muss sich um ein neuartiges, nie dagewesenes Produkt handeln. Allein diese Anforderungen wird von den meisten Programmen nicht erfüllt, da sie nur eine Abbildung der tatsächlich existierenden Realität sind. Schauen wir uns den Warenkorb eines Onlineshops an. Welche Erfindung liegt hier vor? Einen Warenkorb gibt es schon länger als das Internet, nur mussten wir ihn herumtragen oder vor uns her schieben. Oder eine Tabellenkalkulation. Auch dies ist lediglich eine Abbildung der ursprünglichen analogen Tabelle in den Computer.
Somit kommen wir zum nächsten Punkt. Der Erfindungshöhe. Die soll genau das verhindern, was in den USA zur Zeit bei den ganzen Trivialpatenten der Fall ist. Man sagt, es sollte nicht jedem möglich sein, ein Patent zu erfinden. Ein Gedanke, auf den viele andere auch kommen können, ist nicht patentierungswürdig. So z.B. meines Erachtens bei dem One-Click-Buy-Patent von Amazon.com. Hier ist der Vorgang, dass man mit seinen Daten z.B. via Cookie identifiziert ist und dann mittels einem einzigen Klick Bücher bestellen kann, patentiert. Einen Vorgang, den sich viele Benutzer eines Onlineshops wünschen, wenn sie bestellen, patentieren zu lassen, widerspricht meines Erachtens der Idee einer Erfindung und der Erfindungshöhe.
Weiterhin kann man noch hinzufügen, dass Softwareentwicklung eigentlich kein Gebiet ist, in der neue Erfindungen gemacht werden. Im großen und ganzen hat man hier eine immerwährende Weiterentwicklung. Man könnte mit viel Hadern einige große Entwicklungen hervorheben und als Erfindung deklarieren, z.B. die erste Programmiersprache, die erste Highlevelprogrammiersprache, die erste Datenbank, das erste Betriebssystem, die erste grafische Oberfläche. Eventuell könnte man noch soweit gehen, dass man jede einzelne Programmiersprache als eigene Erfindung sieht, und den jeweils ersten Anfänger eines Programmes.
Doch stellen wir uns einmal eine Welt vor, in der schon seit Anbeginn des Computerzeitalters Softwarepatente möglich gewesen wären. Nehmen wir die erste fensterbasierte Oberfläche im Xerox Star 1981. Wäre diese patentiert gewesen, so wäre es niemanden, weder Apple, noch Microsoft, noch sonstigen Entwicklern im Linuxbereich erlaubt gewesen bis 2001 eine fensterbasierte grafische Oberfläche zu erschaffen. 2001 - es wären die Versionen Windows 1.0, 2.0, 3.0, 3.1, 95, 98, 2000, Millenium und NT betroffen gewesen. Auch sämtliche Appleversionen vor Mac OS X und z.B. das KDE Projekt (seit 1996). Würden wir annehmen Apple hätte sich sein Malprogramm patentieren lassen. Adobe hätte niemals anfangen können sein weltberühmtes Photoshop zu entwicklen. Sämtliche Bildbearbeitungsprogramme, wie wir sie kennen wären 20 Jahre lang unmöglich gewesen. Was wenn sich der Erfinder des Onlineshops diesen hätte patentieren lassen können. Wir müssten tatsächlich noch mindestens 10 Jahre lang darauf warten, bei einem anderen Anbieter kaufen zu dürfen. Amazon, Ebay, Titus, etc. pp. Jeder der jetzt einen Onlineshop anbietet müsste seine Verkäufe auf dem Postweg oder über die Firma des Erfinders des Onlineshops abwickeln.
Darüber hinaus entwicklen sich die Märkte in heutiger Zeit immer rasanter. Die zwanzigjährige Schutzfrist auf Patenten ist so lang, dass sie alle Mitbewerber so lange vom Markt fernhält, dass es nicht mehr möglich ist, den KnowHow und Geldvorsprung eines einzelnen Patentinhaber aufzuholen. Anstatt eines gesunden Wettbewerbs hätten wir schon längst einen einzigen Anbieter für Computerlösungen, bei dem essen oder sterben müssten.
Auch ist überhaupt nicht klar, wie sich alles entwickelt hätte. Viele Entwicklungen in der Software basieren aufeinander. Die mittlerweile populäre Programmiersprache Java oder auch C# hat soviele Anleihen aus der Sprache C++, dass sie mit einem Patent auf C++ niemals entstanden wären. Das aktuell aufkommende Ajax (eine Technologie mit der z.B. Google Maps, GMail, Onlinespiele etc.) realisiert werden, ist nur eine Weiterentwicklung von Javascript. Alles baut aufeinander auf. Ein hemmendes Rad in der ganzen Kette und wir wären niemals an dem Punkt an dem wir heute sind.
Softwarepatente verhindern also effizient, dass sich Mitbewerber in den Markt einschalten können. Dies ist zwar auch so gewollt, aufgrund der kürzeren Entwicklungszyklen und vor allem viel geringeren Entwicklungskosten im Softwarebereich im Gegensatz zu technischen Bereichen führt dies sehr schnell zu ungewünschten Superfirmen, die nicht mehr mit markttechnischen Mitteln angreifbar sind. Diese Entwicklung können wir auch bei normalen technischen Erfindungen sehen. Doch geht da der Prozess ungleich langsamer vonstatten.
|