Ein schönes Thema hat Fuchs hier auf die Tagesordnung gesetzt

Ist es wirklich so, daß die Geisteswissenschaften keinen Einfluß haben und die Natur- und Ingenieurwissenschaften[*] so viel Bestimmen? Der Bundestag besteht zu einem nicht unbeträchtlichen Teil aus Geisteswissenschaftlern.
Ich als Maschinenbauer bin natürlich auch alles andere als unvoreingenommen in dieser Frage. Was mir immer etwas suspekt war ist die fehlende Falsifizierbarkeit geisteswissenschaftlicher Theorien. Deswegen wird dieser wissenschaftliche Bereich auch von vielen eher belächelt - das muß aber nicht mit Geringschätzung einher gehen. Aber diese Unschärfe macht es aber auch schwer, einen herausragenden Geisteswissenschaftler als solchen zu erkennen.
Ein Physiker hat mal gesagt: "Wissenschaft ist entweder Physik oder Briefmarken Sammeln." Da hat er eigentlich fast Recht. Ingenieurwissenschaften sind keine große Wissenschaft im eigentlichen Sinne, das behauptet ja auch keiner ernsthaft, oder? Die Aussage ist so zu begreifen, daß Physik die schärfste Wissenschaft im Sinne von Verifizierbarkeit der aufgestellten Theorien ist. Das bedeutet nun aber nicht, daß sie mehr erklären kann als andere Wissenschaften.
Das Problem vieler Geisteswissenschaften ist auch, daß sie zwar gesellschaftliche Fehlentwicklungen treffend analysieren, beschreiben und erklären, aber leider nur vage Lösungsvorschläge unterbreiten können.
Meiner Ansicht nach ist es wichtig, die interdisziplinäre Forschung zu verstärken. Aber genau das ist ein großes Problem, da eine solche Zusammenarbeit aufgrund der fehlenden gemeinsamen (Fach-) sprachlichen Ebene unendlich schwierig ist.
Aber vielleicht noch mal zurück zu den schlechten Berufsperspektiven für GeiWi's. Jeder weiß ja von vornherein, worauf er sich einläßt. Bei aller Hochachtung, aber es werden in einer Volkswirtschaft eben auch Menschen gebraucht, die Sachen erdenken, erschaffen, unterhalten und irgendwann wieder entsorgen.
Mir stößt auch auf, daß immer mehr Leute nur noch verkaufen und vermarkten wollen, aber die
eigentliche produktive Arbeit (ob nun manuell oder geistig ist dabei gleich) nicht sonderlich hoch anerkannt ist (das geht aber eher in Richtung der BWL/Jura Gelehrten)[**]. Das ist im gleichen Maße unangebracht, wie engagierte geisteswissenschaftliche Arbeit als Spinnerei abzutun.
Letztlich werden die gesellschaftlichen Probleme auf unserem Planeten ja nicht weniger, weswegen genügend Arbeit für die Geisteswissenschaften da ist. Schon Marx hat gesagt: "Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert - es kommt aber darauf an, sie zu verändern."
[*] Da zähle ich mal die Informatik mit dazu, weil die genau wie alle anderen Ing-wissenschaften die theoretischen Grundlagen ihres natürlichen Stammlandes (Mathe, Logik) mit gesundem Menschenverstand, Intuition und Spieltrieb zu im Alltag brauchbaren Sachen ummünzt.
[**] Wenn man bedenkt, daß z.B. im Preis trendiger Sportschuhe nur ein sehr geringer Anteil auf die eigentliche Produktion in Fernost, dafür aber sehr viel für die Bewerbung, Präsentation, Verwaltung und die Dividende hier im Westen entfällt, dann wird der Satz vielleicht weniger mißverständlich.