Zu dem Thema passt gut eine Buchvorstellung, die ich gestern bei Kulturzeit auf 3Sat gesehen habe:
Lutz Hachmeister
"Nervöse Zone. Politik und Journalismus in der Berliner Republik"
Zitat(3Sat)
Sind Journalisten in der "Berliner Republik" eine "Elite ohne Bewusstsein"? Diese Frage stellt sich Lutz Hachmeister in seinem Buch "Nervöse Zone". Für ihn sind nach dem Fall der Mauer auch die ideologischen Grenzen zwischen konservativer und linksliberaler Haltung in der Berichterstattung mehr und mehr verschwommen. Dieses Vakuum trifft Journalisten und Politiker gleichermaßen. Gleichzeitig wächst die Nähe zwischen Politik und Presse.
Die Bonner Idylle ist vorbei, der Fernsehtalk - etwa bei "Sabine Christiansen" - wird zur politischen Dauerkonferenz. Hauptstadt-Journalismus als eine Art Fashion-Industrie, in der alle auch immer versuchen, das Neue herbeizuschreiben. Wer hat in dieser "Welt der Wortführer" das Sagen?
Journalisten: von Beobachtern zu Akteuren
Der mediale Geschwindigkeitsrausch fördert schnelle Loyalitätswechsel. Berichterstattung in der "nervösen Zone" bedeuten: Wem man gestern gewogen war, den kann man am nächsten Tag fallen lassen. Ein Zirkel machtbewusster Journalisten wird auf diese Weise von Beobachtern zu Akteuren der Politik. "FAZ"-Herausgeber Frank Schirrmacher etwa beherrscht die Kunst des Agenda-Settings wie kaum ein anderer - so beschreibt es Hachmeister. Er initiiert zeithistorische Großdebatten. Jüngstes Beispiel ist die SS-Lebensbeichte von Literaturnobelpreisträger Günter Grass.
In Abgrenzung von den 68ern spielt man mit Begriffen wie der "neuen Bürgerlichkeit". Eine Symbolfigur dieser "neuen Deutschwerdung" und einer konservativen Wende ist "Spiegel"-Kulturchef Matthias Matussek. Neben geschärftem Bewusstsein für ihren politischen und sozialen Status sind sich die Akteure vor allem ihrer gesellschaftlichen Wirkungsmöglichkeit bewusst. Und werden so zunehmend selbst Teil der Berichterstattung - durch Fernseh-Kenntlichkeit berühmt. Gleichzeitig pflegen sie ein distanziertes Verhältnis zur operativen Politik.
Wie kann vor diesem Hintergrund der Journalismus als Agent der Aufklärung überhaupt noch kenntlich werden? Und wozu wird man ihn noch brauchen?