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>Eine Har(t)zwanderung in den (Chaos)busch...

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post 30 Jul 2004, 10:24
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3. Schein
***

Punkte: 230
seit: 12.02.2004

Die Sache ist so kompliziert, so wie es sich für eine richtige Behörde gehört. Telekom unterhält eine Art firmeneigenes Arbeitsamt namens Vivento - Mitarbeiter nennen es "Wie- wenn- tot". Vivento versucht jene Mitarbeiter nach draußen zu vermitteln, die im Konzern nicht mehr gebraucht werden und eigentlich entlassen werden sollten. Aber es handelt sich um viele tausend Arbeitnehmer mit Beamtenstatus, und die sind unkündbar.
Diese Quasi - Beamten sitzen zu Hause und drehen Däumchen. Jetzt sollen ein paar Hundertschaften von ihnen für teures Geld ein billigeres Däumchendrehen im Osten organisieren. Denn es geht keineswegs um die Vermittlung von Arbeitslosen in eine angeblich boomende Wirtschaft, sondern nur um die Umsetzung von Hartz IV, also die Zusammenlegung von Arbeitslosengeld und Sozialhilfe.
Dafür haben Beamtenkollegen der Wie - wenn - tot - Leute umfangreiche Fragebögen ersonnen, die wiederum so kompliziert sind, dass sie nur von schlauen Däumchendrehern ausgefüllt werden können.
Die Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg, die für die Umsetzung von Hartz IV zuständig ist, braucht ihre rund 80 000 Dreher für das normale Geschäft aber selbst und hat deshalb die Telekom - Kameraden um Amtshilfe gebeten. Denn wenn es keine Beamten sind, muss man die Stellen europaweit ausschreiben und für dieses Procedere fehlt die Zeit, weil die Umsetzung bis Jahresende fertig sein muss.
Misslich an dieser Schilda - Affäre sind Preis und Herkunft. Als beamtete Däumchendreher stehen den Wie - wenn - tot - Leuten einige Prämien zu: Trennungsgeld und Aufwandsentschädigungen. Das Ganze wird "Buschprämie" genannt, als wenn es ums Überleben ginge. Hinzu kommt noch die "Schnellentscheiderprämie" von 5000 Euro, weil man selbst däumchendrehende Beamte angeblich nicht so ohne weiteres überall hinschicken kann.
Über die teure Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Westbeamte haben sich ostdeutsche Politiker zu Recht empört. Daraufhin wurde die ABM zunächst gestoppt, dann aber wieder in Gang gesetzt.
Über dem Ganzen liegt ein Hauch von Panik. Es ist auf jeden Fall ein Beispiel mehr für die Kombination von Konzeptlosigkeit und Großmäuligkeit mit der in Berlin Politik gemacht wird. Man kann der Affäre wohl nur einen positiven Aspekt abgewinnen: Hartz IV und seine Umsetzung werden einmal als Musterbeispiel genannt werden für den geordneten Weg der Bürokratie ins Chaos. Nur: Auf der Strecke bleiben die Arbeitslosen und womöglich auch der soziale Frieden.
Die Sache ist völlig verfahren. Man sollte den Daumen nach unten drehen , sie einfach stoppen und neu anfangen.
ProfilPM
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post 02 Aug 2004, 00:38
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3. Schein
***

Punkte: 230
seit: 12.02.2004

bleh.gif ...das hab ich im Weltnetz gelesen

So wird manipuliert, um die Zahlen zu verschönern...

Aus der Süddeutschen Zeitung

*Um ihre Zahlen zu verschönern, scheuen die Agenturen keine Schikane – und treiben Arbeitslose systematisch aus der offiziellen Statistik.

Von Rolf Winkel

München Der Vermittler sitzt hinter einem grauen Schreibtisch. Auf der Tischplatte steht ein großer Monitor, daneben liegen viele Akten in rosafarbenen Deckeln.

Weit über 700 Arbeitsuchende hat der Mann von der Arbeitsagentur in einer deutschen Großstadt zu betreuen. Wenn er über den Alltag in der Behörde spricht, klingt Verbitterung durch: „Wie soll man denn da nicht zynisch werden?“, fragt er und weist auf eine Dienstanweisung hin.

Sie trägt die Überschrift „Geschäftspolitik, Ziel: Bestand Arbeitslose senken“.

Um den „Bestand“ an Arbeitslosen zu senken, gebe es zwei Wege, meint der Mann vom Amt: Arbeitslose zu vermitteln oder sie zu vergraulen. Das Papier beschäftige sich mit Letzterem.

In der Dienstanweisung sind so genannte „Ergebnisziele“ festgelegt.

Diese sind für „Teams“ definiert, zu denen jeweils vier bis fünf Vermittler gehören. Jedes Team soll danach pro Monat „60 Fälle 1. MV“ und „7 Fälle 2. MV“ produzieren.

„MV“ steht für „Meldeversäumnis“. Das heißt: Arbeitslose, die auf eine Vorladung vom Amt nicht reagieren, werden mit einer „Säumnisstrafe“ belegt: Leistungsbezieher erhalten dann eine Zeit lang kein Geld. Wer ein zweites Mal nicht zum Meldetermin kommt, fliegt auch aus der Arbeitslosenstatistik.

Anders erfasst:

4,6 Millionen Menschen sind derzeit in Deutschland offiziell als arbeitslos registriert. Keiner liest diese Zahl gerne – und alle finden sie zu hoch: Der Aufschwung lässt auf sich warten. Doch selbst wenn die Konjunktur anspringt, wird es nach Auffassung von Experten kurzfristig keine wesentliche Besserung am Arbeitsmarkt geben.

Da soll wenigstens die Statistik besser aussehen. So werden seit Jahresbeginn die Arbeitslosen anders erfasst: Wer von der Arbeitsagentur „trainiert“ wird – in neuen Fertigkeiten oder schlicht für die nächste Bewerbung – zählt jetzt offiziell nicht mehr als arbeitslos.

Im Januar verschwanden so 81.100 Arbeitsuchende aus der Statistik. Schon lange zählen auch die von den Ämtern geförderten Teilnehmer an Weiterbildungskursen, Arbeitsbeschaffungs- und Strukturanpassungs-Maßnahmen nicht als erwerbslos.

Würden sie mitgezählt, hätte es im letzten Monat noch 331.000 registrierte Arbeitslose mehr gegeben.

Keiner der Zahlentricks ist so raffiniert wie der mit dem „Meldeversäumnis“.

„Eigentlich sollten das nur Sanktionen im Einzelfall sein“, sagt der Vermittler von der Arbeitsagentur, der nicht namentlich genannt werden möchte. „Jetzt müssen wir aber die Strafen planmäßig und massenhaft produzieren.“

Insgesamt soll nach der Dienstanweisung allein in seinem Amt jedes Team 1200 so genannte Säumnistage pro Monat erzielen. Entsprechend lang würden dann bei Leistungsbeziehern auch fällige Zahlungen von der Arbeitsagentur eingespart.

„Taktung und Häufigkeit der Einladungsaktionen pro Tag/Woche sind so zu planen, dass o. a. Ergebnisziele erreicht werden“, heißt es in dem amtlichen Papier.

Und das bedeutet: „Wenn die Zahl der angestrebten Meldeversäumnisse nicht erreicht ist, müssen die Arbeitslosen eben nochmal eingeladen werden“, sagt der Mann vom Amt.

In Massen vorgeladen:

Der Phantasie der Vermittler sind offenbar keine Grenzen gesetzt. Je mehr Arbeitslose nicht kommen, desto besser stehen die Teams da – statistisch gesehen.

„Die Vorladungstermine kann man auch auf den Nachmittag oder – zwischen Feiertag und Wochenende – auf Brückentage verlegen“, weiß der Vermittler. „Da ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass Arbeitslose die Meldung versäumen.“

Damit die Produktion von Meldeversäumnissen planmäßig vonstatten geht, können – so empfiehlt es die Leitung der örtlichen Arbeitsagentur – „möglichst große Gruppen mit bis zu 200 Personen“ zusammengestellt werden. Für solche Massenvorladungen steht der Hörsaal des benachbarten Berufsinformationszentrums zur Verfügung.
Diese Großgruppen-Veranstaltungen liefen unterschiedlich ab, erzählt der Vermittler.

Zum Teil würde den Eingeladenen im Hörsaal noch etwas über ihre Rechte und Pflichten erzählt. „Zum Teil gehen die Leute aber auch auf der einen Seite in den Saal rein, auf der anderen Seite wieder raus“ – dort ist die Anwesenheitskontrolle. Das nütze zwar keinem Arbeitslosen und sei wegen der vielen Einladungen auch ziemlich aufwändig. Aber so würden durch Säumniszeiten einige tausend Euro gespart und zugleich werde die Statistik verschönert. „Und darum geht es ja“, sagt er.

Erfahrungsgemäß fallen durch solche Schikanen (Amtsjargon: „Konsequente Einforderung der Meldepflichten“) vor allem diejenigen aus der Statistik, die ohnehin kaum (noch) etwas von der Arbeitsagentur erwarten können. Die Zahl der in Nürnberg registrierten „Nichtleistungsempfänger“ hat sich so stark verringert.

Bezogen früher rund 30 Prozent der registrierten Arbeitslosen keine Leistungen, sind es nun nur noch 18 Prozent.

Besondere Angebote

Doch es gibt auch eine große Gruppe von Arbeitslosengeld- und Arbeitslosenhilfe- Beziehern, die von den Arbeitsagenturen systematisch aus der Statistik und vom Arbeitsmarkt gedrängt werden: Die Älteren ab 58.

» Die Jüngeren bekommen immer den Vorzug. «

Menschen wie Karin Lis aus dem niederrheinischen Städtchen Viersen. „Ich gehöre noch zu denen, die lange ganz auf das Konzept Ehe gesetzt haben“, sagt die 59-Jährige. „Meine zwei Mädchen und die Familie waren mir das Wichtigste.“ Erst als ihre Ehe zerbrach, kümmerte sie sich um eine Berufsausbildung. Mit 46 Jahren begann sie eine Lehre zur Groß- und Außenhandelskauffrau. Danach fand sie eine Stelle bei einem kleinen Importeur für Designerleuchten. „Aber als es in der Firma nicht mehr so richtig lief, musste ich als erste gehen“, sagt sie. Seit 1997 ist sie nun ohne Job. Zunächst bezog sie Arbeitslosengeld, danach Arbeitslosenhilfe. Auch rund 100 Bewerbungen änderten nichts an ihrer Langzeitarbeitslosigkeit. Ihre bittere Erfahrung: „Die Jüngeren bekommen immer den Vorzug.“

„Ein einziges Stellenangebot vom Arbeitsamt habe ich bekommen“, stellt Lis fest. Ansonsten hat die Kauffrau nicht viel vom Arbeitsamt gehört.

Das änderte sich allerdings vor Ihrem 58. Geburtstag: Die Behörde fragte zunächst ganz freundlich an, ob sie das ihr zustehende Geld künftig „unter den erleichterten Voraussetzungen des § 428 Sozialgesetzbuch III“ beziehen möchte oder nicht. Im Begleitschreiben erfuhr Karin Lis dann, dass dieser „erleichterte“ Bezug ein besonderes Angebot für Arbeitslose ab 58 Jahren sei. Sie könne erklären, dass sie nicht mehr arbeiten wolle – und dennoch weiter Geld vom Amt erhalten. Wenn sie sich mit ihrer Unterschrift dazu entscheide, brauche sie für die Jobvermittlung nicht mehr zur Verfügung stehen und könne sogar bis zu vier Monate am Stück in Urlaub fahren. Im Gegenzug müsse sie sich allerdings verpflichten, Altersrente zu beantragen, sobald sie diese „abschlagsfrei“ beanspruchen könne.

Über die Vorteile für die Arbeitsverwaltung informierte das Schreiben nicht: Mit einem Ja zu dieser Erklärung würde Karin Lis offiziell nicht mehr als Arbeitslose zählen. Frau Lis reagierte auf die amtliche Nachfrage erst einmal gar nicht. „Schließlich will ich ja arbeiten, warum soll ich das dann unterschreiben?“

Doch inzwischen wird bei den Ämtern nachgehakt, damit möglichst viele Ältere den Vorruhestands-Paragrafen unterzeichnen.

In einem „Handlungsleitfaden“ des Arbeitsamts in Solingen zur „Beratung von 58-Jährigen und Älteren über § 428 SGB III“ vom 21. Mai 2003 gibt es sogar einen Stufenplan zum Umgang mit Unterschriftsverweigerern.

Stufe 1:
„Unterschreibt der Arbeitslose die Erklärung zu § 428 SGB III nicht, wird er darauf hingewiesen, dass er demnächst zu einer Gruppeninformations- veranstaltung eingeladen wird, an der er teilnehmen muss, weil sonst leistungsrechtliche Konsequenzen eintreten.“

Stufe 2:
Auf der Gruppenveranstaltung „wird der Erklärungsvordruck zu § 428 erneut ausgehändigt. Teilnehmer, die immer noch nicht bereit sind, den Vordruck zu unterschreiben, werden unter Terminsetzung (10 Wochen) aufgefordert, die Erklärung unterschrieben zurückzugeben.“

Unterschreib und geh.
Nach einem ähnlichen Plan verfuhr auch das Arbeitsamt Viersen mit Lis. Als sie auf zwei Mahnschreiben, sie möge doch endlich die Vorruhestandserklärung unterschreiben, nicht reagierte, wurde sie zur Gruppeninformations- Veranstaltung geladen. „25 Leute haben teilgenommen, der Raum war voll“, erinnert sie sich an den Termin im letzten November.

„Zwei junge Damen vom Arbeitsamt redeten nur über Erleichterungen und den längeren Urlaub, den wir nach der Unterschrift hätten. Wir hätten in unserem Alter sowieso keine Chance mehr auf einen Arbeitsplatz.“ Nach einer Viertelstunde bat man zur Unterschrift.

Karin Lis unterschrieb nicht. Sie gehört inzwischen zu einer Minderheit unter den älteren Arbeitslosen. Im Juli 2003 hatten 74,4 Prozent aller Arbeitslosen ab 58 die Erklärung zu § 428 unterzeichnet.

Ich würde doch Stellenangebote annehmen, warum soll ich das Gegenteil unterschreiben?




Dieser Beitrag wurde von Robotron72: 02 Aug 2004, 01:36 bearbeitet
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