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>Heute Sachsen, morgen Deutschland – Und übermorgen?

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post 18 Oct 2004, 02:49
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http://www.sz-online.de/nachrichten/artikel.asp?id=699470

Sächsische Zeitung
Montag, 18. Oktober 2004


„Heute Sachsen, morgen Deutschland“ cool.gif
Nach dem Wahlsieg strotzt die rechtsextremistische Sachsen-NPD vor Selbstbewusstsein, mahnt schon mit der Verfassung und will im Landtag manches Fahrrad neu erfinden
Von Thomas Schade

Ganz geschäftsmäßig kommen sie daher: Ordentlich umzwirnt, mit Aktenkoffer und ernster Mine. Nur der in die Jahre gekommene Aufpasser mit der tätowierten Glatze und dem majestätischen Schnautzer passt nicht recht ins Bild. Fürchten sich Holger Apfel und Co. vielleicht auf den Fluren des sächsischen Landtages auf dem Weg zum ersten Auftritt in der Landespressekonferenz?

Oben auf dem Podium sind solche Unsicherheiten verschwunden. Der Tonfall ist geradezu moderat im Vergleich zum schaurigen Erstauftritt der NPD-Frontmänner in der Freitaler „Wolfshöhle“. Fraktionsmanager Peter Marx verrät auch den Grund für den Tonwechsel: „Der Pulverdampf des Wahlkampfes“ sei abgezogen. Im Landtag werde man pragmatische Sachpolitik machen, auf der Pressekonferenz des kommenden NPD-Parteitages könne das schon „etwas anders“ klingen, so Marx. Vielleicht meint er ja damit jene Doppelzüngigkeit, auf die Verfassungsschützer hinweisen, wenn sie die NPD nach wie vor als rechtsextremistisch einstufen?

Die NPD-Neulinge im Landtag strotzen geradezu vor Selbstbewusstsein. Sie haben sogar einen aufgestellt, der bei der Wahl des Ministerpräsidenten gegen Georg Milbradt von der CDU antreten soll. Ein Sachse natürlich: Uwe Leichsenring, den Fahrlehrer aus Königstein. Er kenne schließlich „die Probleme der kleinen Leute“, sagt er, und außerdem habe eine „fast Zehn-Prozent-Partei“ doch das „Recht, einen eigenen MP-Kandidaten aufzustellen“. Ganz staatstragend kündigt er schon mal an, dass es auch unter seiner Amtsführung eine Politik der „friedlichen Koexistenz“ mit den benachbarten Tschechen geben werde.

Eine Fußnote in der Parlamentsgeschichte

Noch grotesker wird es, als er auf die Frage antworten soll, ob er sich denn auf den Fluren des Landtages schon mal nach den notwendigen Mehrheiten für seine Wahl umgeschaut habe. Eine Fußnote in der sächsischen Parlamentsgeschichte ist der NPD offenbar Trost genug für das absurde Unterfangen.

NPD skurril – das wird es in Zukunft wohl eher selten geben. Im Gegenteil. Vielmehr beschert das Wahlergebnis vom 19. September Sachsens Staatsschützern reichlich Probleme. So verschärft sich offenbar die Auseinandersetzung zwischen dem linksautonomen Protestpotenzial und Rechtsextremisten. Brennende Barrikaden in Leipzig und Feuer vor der Wohnung des neuen NPD-Fraktionschef sind erste Anzeichen. Allein am Wahlabend standen dem Vernehmen nach fünf Personenschützer der Polizei an Apfels Seite. Aus Etzdorf bei Rosswein meldeten die Agenturen, das Neonazis Anfang Oktober mit „Sieg Heil“-Rufen und Hitlergruß einen Jugendklub gestürmt hatten.

Sachsens Verfassungsschützer erwarten von dem Wahlausgang eine „Signalwirkung“. Tatsächlich ist in der NPD-Parteipostille Deutsche Stimme (DS) schon von der „nationale(n) Zeitenwende“ die Rede. Ein NPD-Gastkolumnist sieht Sachsen inzwischen „als Keimzelle der nationalen Erneuerung“ und schwadroniert: „Heute Sachsen, morgen Deutschland.“ – Und übermorgen? Sprüche, wie der habe Geschichte.

Auch die NPD-Parteispitze hat die Marschrichtung klar vorgegeben. Es gelte „optimale Ausgangsvoraussetzungen“ zu schaffen für den Einzug in den „Berliner Reichstag“, sagt Holger Apfel, die Nummer zwei im Bundesvorstand. Parteichef Udo Voigt will „die BRD ebenso abwickeln, wie das Volk vor 15 Jahren die DDR abgewickelt hat“.

Offene Tore für prominente Neonazis

Dem Wochenblatt Junge Freiheit sagte der ehemalige Bundeswehroffizier Voigt auch, dass er Hitler für „einen großen deutschen Staatsmann“ halte. Der habe zwar die „Verantwortung für die Niederlage Deutschlands“, dennoch bemühe sich die NPD, „die nationalsozialistische Strömung zu integrieren“. Das Interview liegt auf dem Tisch der Berliner Staatsanwaltschaft. Die prüft, ob Voigts Parolen eine Verunglimpfung des Staates darstellen.

Seit Monaten schon bastelt die NPD-Spitze an einer Einheitsfront am rechten Rand. Bereits vor dem Wahlerfolg der Rechten in Sachsen und Brandenburg gab es nach eigenem Bekunden „vertrauensbildende Gespräche“ zwischen Voigt und drei Prominenten der „freien“ Neonazi-Szene. Der bekannteste ist Thomas Wulff („Steiner“), genannt nach dem SS-General Felix Steiner, bei öffentlichen Auftritten an seiner Thälmann-Mütze zu erkennen und einer der engsten Weggefährten des rechtsextremistischen Dauermarschierers von Leipzig, Christian Worch. Nach mehreren Vereinsverboten gilt Wulff als geistiger Vater des Konzeptes der so genannten „freien Nationalisten“. Mit von der Partie ist auch Torsten Heise, der führend in der norddeutschen Neonaziszene und im rechten Musikvertrieb aktiv sein soll und bereits wegen Landfriedensbruch und Körperverletzung verurteilt wurde.

Bei den Treffen wurde über den „Neubeginn der Zusammenarbeit“ gekungelt mit dem „großen Ziel einer umfassenden 'Volksfront von Rechts‘“. Wenige Tage vor der Sachsen-Wahl heuerten die Neonazis bei Voigts NPD an. Mindestens einer von beiden soll auf dem nächsten Bundesparteitag in den NPD-Vorstand gewählt werden, kündigte Voigt an. Außerdem, so ein Gerücht, sei Wulff ein Job bei der Deutschen Stimme in Riesa zugesagt worden.

Radioquote aufwärmen: „Es geht auf Deutsch“

Mit Blick auf die Bundestagswahl 2006 bastelt NPD-Chef Voigt derzeit auch mit der Deutschen Volksunion des Münchner Verlegers Gerhard Frey eifrig an der rechtsexremistischen Einheitsfront. Während Wahlforscher und Forsa-Chef Manfred Güllner „keine große Chance sieht, dass Rechtsradikale in die Nähe von fünf Prozent kommen“, glaubt Ex-Verfassungsschutz-Präsident Eckart Werthebach im ZDF, dass der Rechtsextremismus mit der Gründung von Aktionsbündnissen eine neue Qualität erreicht habe. Voigt und Frey trafen sich just am selben Tag, als die Dresdner NPD-Leute zu ihrer ersten Pressekonferenz im Landtag marschieren.

Dort drohen Apfel und Fraktionsgeschäftsführer Marx schon mal mit der sächsischen Verfassung. Sie pochen auf die Einhaltung von Artikel 40. Der räumt der Opposition Chancengleichheit bei der Ausübung ihrer parlamentarischen Arbeit ein. Der Hintergrund: Die NPD moniert, dass ihr nur neun Büros für ihre zwölf Abgeordneten zur Verfügung gestellt werden. CDU und SPD seien nicht bereit, „Platz zu machen“, schimpft Marx. Am Tag nach der Wahl des Landtagspräsidiums werde man eine Frist setzen und notfalls den Gerichtsweg gehen, kündigt Marx an. Als Gast eines NPD-Abgeordneten will Partei-Chef Voigt morgen selbst den Einzug seiner Leute in das Parlament erleben.

Schon jetzt bereiten die Parlaments-Neulinge vom rechten Rand den demokratischen Parteien Kopfzerbrechen. Nicht nur, dass sie einen Sitz in der parlamentarischen Kontrollkommission für die Nachrichtendienste reklamieren. Könnten die Rechten diesen Sitz auf gerichtlichem Wege durchfechten, kämen die Verfassungsschützer in heftige Berichtsnöte, ist doch die NPD eines ihrer wichtigsten „Beobachtungsobjekte“. Darüber hinaus könnte die NPD auch Sitz und Stimme in diversen anderen Kuratorien und Aufsichtsgremien beanspruchen. Dann tummeln sich NPDler vielleicht in der Landeszentrale für politische Bildung, der Versammlung der Landesmedienanstalt, dem Landesjugendhilfeausschuss oder anderen öffentlich-rechtlichen Institutionen.

Landespolitisch wollen Apfel und Co. so schwere Brocken wie das Kommunalabgabengesetz und den Landesentwicklungsplan in die Hand nehmen, alles längst beschlossene Gesetze. Selbst ein Tourismuskonzept für die Sächsische Schweiz will die NPD endlich auf die Beine stellen, obwohl es seit Jahren touristische Leitlinien für die Region gibt, die laufend aktualisiert werden. Möglicherweise wolle die NPD ja Vorschläge machen, wie die Sorgen der örtlichen Fremdenverkehrsverbände über die Entwicklung des Rechtsextremismus in ihrer Region vertrieben werden können, spöttelt ein langjähriger Abgeordneter. Sogar die eben gescheiterte Musik-Quotierung im Radio will die NPD im Parlament wieder aufwärmen. Motto: „Es geht auch Deutsch“.
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Beiträge
Robotron72   Heute Sachsen, morgen Deutschland   18 Oct 2004, 02:49
sQeedy   kranke leute... wenn ich "rechtsexremistische...   18 Oct 2004, 12:54
Schopenhauer   weil die römische geschichte ziemlich lange zurück...   18 Oct 2004, 19:10
schnitzeljunge   aber iss doch schon komisch das man sich erst jetz...   18 Oct 2004, 19:54
bnz   ERSCHRECKEND!!!!!! :   18 Oct 2004, 20:03
Schopenhauer   in der tat erschreckend... da heißt es bei mir nur...   18 Oct 2004, 20:25
cosmophon   schnitzeljunge --> :konkret:   18 Oct 2004, 20:54
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