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>Film: Palermo Shooting ... der neue Film von Wim Wenders ...

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post 23 Nov 2008, 06:17
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Palermo Shooting

… oder wie der Tod unser Freund werden könnte

von Michael Winkler

Freitag, 24.Oktober 2008, kurz vor neun Uhr abends. Ich stehe mit zwei Freunden vorm ältesten Kino Dresdens, der Schauburg, und habe noch eine Karte zu vergeben; für die Vorpremiere des neuen Wim-Wenders-Film „Palermo Shooting“. Wir überlegen, was wir mit der Karte machen und entscheiden uns dann spontan, sie der „erstbesten Person“ in die Hand zu drücken. Diese Person kam gerade die Königsbrücker Straße entlang gelaufen und hielt nach dem dritten Mal „Hallo“-Rufen auch an. Die junge Dame mit asiatischem Aussehen kam aus Dänemark, wie sich herausstellte und sprach sehr gut Deutsch. Ob sie Wim Wenders kennen würde, fragte ich sie. Sie verneinte. Hmm, was tun? Ob sie trotzdem Lust hätte, eine Karte für dessen neuen Film zu bekommen, welcher in wenigen Minuten beginnen würde. Der Regisseur wäre sogar da, ergänzte ich, wohl ahnend, dass dies keine allzu große Rolle spielen würde, wenn sie ihn ehedem nicht kennen würde. Sie sagte zu, doch wolle vorher noch etwas essen. Ich wollte sie erst in ein etwas weiter entfernt liegendes südkoreanisches Restaurant „schicken“, empfahl ihr dann jedoch, in eines der drei umliegenden Döner-Pasta-Häuser zu gehen.

Ein paar Minuten später trafen wir uns alle im Fritz-Lang-Saal der Schauburg wieder und Rikke, so hieß die Dänin mit südkoreanischer Abstammung, zeigte sich erstaunt, dass man hier sogar sein Bierglas mit ins Kino nehmen könne. In Dänemark wäre das unvorstellbar. Ich war einige Minuten später meinerseits erstaunt, als sie ihre Digitalkamera zückte und während des Filmes ein Foto von der Leinwand machte. Tja, ob das in Deutschland möglich ist, weiß ich nicht; doch vorstellbar war es ab diesem Zeitpunkt jedenfalls für mich. Rikke fand wohl einfach die Szene sehr schön, in der Fotograph Finn, gespielt von Toten-Hosen-Frontmann Campino, mit einem Schafe hütenden Bankier (Udo Samel) mitten auf einer Wiese in Düsseldorf schwätzt. Der vom Stress des Fotographen-Berufs geplagte Finn hatte – wahrscheinlich wie in seinen Kindertagen – auf einem Baum übernachtet und war am Morgen auch auf selbigen aufgewacht. Im Gespräch mit dem Bankier im Regencape lässt dieser eine Lebensweisheit fallen, die wohl in gewisser Weise sinngebend für den Wenders-Film sein könnte: „Man sollte alles ernst nehmen, nur sich selbst nicht.“

Neben Udo Samel findet ein halbes Dutzend weiterer bekannter Personen den Weg in den Film. Neben Rock-Ikone Lou Reed und den drei anderen Toten Hosen ist es u.a. die schwangere Milla Jovovich, welche Finn letztlich für ein Foto-Shooting in die sizilianische Hauptstadt Palermo entführt. Oder entführte er sie? Hmm, das spielt eigentlich fast keine Rolle, denn einer ist Finn in jedem Fall auf den Fersen, ganz gleich, wohin ihn seine Arbeit oder seine Selbstsuche (oder ist es eher ein Davonlaufen?) führen: der Tod.
Es gibt wohl wenige Schauspieler, denen man diese Rolle ohne Stirnrunzeln abnehmen würde. Einer davon ist Dennis „Easy Rider“ Hopper. Im realen Leben selbst mehrfach dem Sensenmann von der Schippe gesprungen (siehe Interview unten), verfolgt er Finn und schickt ihm gelegentlich einen Metallpfeil als Gruß in den Körper. Finn versucht nun seinerseits den Tod zu finden und aufs Bild zu bannen. Dabei begegnet er in einer Kirche der Restauratorin Flavia, gespielt von der Italienerin Giovanna Mezzogiorno.

Die Geschichte nimmt ihren Lauf und führt durch die Innenstadt von Palermo sowie deren malerischer Umgebung. Flavia und Finn kommen sich näher. Genauso wie der Tod Finn immer näher kommt, oder Finn dem Tod. Doch entgegen seiner Vermutung entpuppt sich der Tod nicht als Feind, sondern als Freund.


„Palermo Shooting“ läuft seit 20.11.2008 in der Schauburg.

PS: Hier geht’s zum Film-Trailer.
PPS: Teil 2 „Meeting Wim Wenders“ folgt demnächst.


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Finn (Campino) im Gespräch mit einem Schafe hütenden Bankier, gespielt von Udo Samel.


Auszug aus einem Interview mit Dennis Hopper aus der Zeitschrift GALORE (Nr. 44, November 2008):

Frage (Rüdiger Sturm für GALORE) : Es gab Zeiten, da spielten Sie mit Ihrem Leben.
DH: Ja, aber das ist 25 Jahre her. Seither habe weder Alkohol noch harte Drogen angerührt. In meinen schlimmen Zeiten nahm ich drei Gramm Kokain am Tag zu mir, noch dazu fast zwei Liter Rum und unzählige Bier. Stimmt schon, ich stand immer am Rande des Abgrunds.

Frage: Was gab letztlich den Ausschlag dafür, dass Sie die Sucht überwanden?
DH: Das war der Tod meines Vaters, ganz klar.
Frage: Wie intensiv setzen Sie sich seitdem mit dem Tod auseinander? Ich frage auch, weil Sie in „Palermo Shooting“, dem aktuellen Film von Wim Wenders, sogar den Sensenmann spielen.
DH: Durch diese Rolle habe ich tatsächlich häufiger darüber nachgedacht, aber in der Regel versuche ich das zu vermeiden. Ich lebe nicht in der Zukunft und auch nicht in der Vergangenheit – ich versuche, die Gegenwart zu erfahren. Das ist heutzutage, mit den ganzen Handys und Computern, gar nicht so einfach.
Frage: Warum?
DH: Wir leben durch diese Technik im Cyberspace, aber nicht mehr im Moment.



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Dennis Hooper spielt den Tod in „Palermo Shooting“ (Fotoquelle)

Dieser Beitrag wurde von Michael13: 23 Nov 2008, 06:31 bearbeitet


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post 23 Nov 2008, 19:42
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seit: 20.10.2005

Ein wunderbar geschriebener Artikel, Michael13 - [bis auf die Relativsaetze nach Milla J. und den folgenden Relativpronomen.]
Es ist immer wieder erstaunlich, wie mannigfaltig ueber ein Motiv reflektiert werden kann. Gerade zu dem schon abgeriebenen Material der Kunst entwickelt Wim Wenders seine eigenen Perspektiven. Diese Film-Rolle ist im Prinzip auch nur eine Variation, aber fuer Neukinogaenger eine gute Einfuehrung zum "carpe diem". Die Schaltzentrale im Kopf arbeitet in dem Fall am besten, wenn sie unvoreingenommen das Werk und ihre Bilder aufnimmt. Eine Art neue Entdeckungs-Reise zu den Facetten der Lebensgrenzen.
Also entweder auf den Film einlassen, oder sein lassen.
Die eigentlichen Denkanstoeße wirken sonst tatsaechlich oberflaechlich, oder nicht tiefgehend, aber warum muß einem immer etwas vorgedacht werden? Der Film zeigt nur auf und erklaert nicht. Das ist dann genauso schmalspurig, wie Sex and the City - nur nicht so hektisch und ohne Luegen als stilistisches Mittel zur Wahrheitsfindung.
Die Wirkliche Paradoxie ist, der Aufruf zum Leben leben und weniger seine Zeit zu vergeuden, die unmittelbar an diejenigen gerichtet ist, die diesen Film gerade anschauen, (als gaebe es beim richtig verstehen das Geld an der Kasse zurueck). Soviel mehr ist eigentlich auch gar nichts zu sagen, Tod als Abwesenheit von Liebe zu interpretieren ist etwas romantisch, aber dafuer recht plausibel.
In der Gesamt-Einschaetzung ist es einer der schlichteren Wender-filme mit fragwuerdigem Casting und ungewohnt steiniger Poetik.

Etwas zum Film-Bonus ist zu sagen, daß Milla Jovovich sich selbst spielt und keine andere Rolle. Natuerlich ist das ein Schock fuer alle, die nicht ihre Interviews sehen und nur den Luc Besson - "Leeloo" -verschnitt im Kopf haben. Das ist das ueblich-schematische Denken eines Diplom-Soziologen, der sich die Liebe als Konstrukt von Herrn Prof. Lenz erklaeren laeßt. Springt ueber euren Schatten ihr Wasserkoepfe.

Zum Realabgleich: sie hat schon laengst ihr Kind. [source: http://www.millanews.com/] Und sie ist keine neu-alte Natalya R. (Transporter 3)

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Der Film hat auch keinen Preis bei d. Internationale_Filmfestspiele_von_Cannes_2008 bekommen.
bild kann nicht angezeigt werdenbild kann nicht angezeigt werden
mit Tochter Ever Gabo *3.Nov.2007! + Hund und Mann Paul W.S. Anderson und Starbuckscappuccino
bild kann nicht angezeigt werden im Starbucks!
Ich bin lieber amerikanisch oberflaechlich und trinke meinen Cappuccino, solange er noch heiß ist. Get a Life! . . . and Get your CappuccinO
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