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blühende Landschaften und Legenden
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 24 Sep 2009, 11:46
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Straight Esh         
Punkte: 14030
seit: 01.10.2003
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Es interessiert mich ja doch, weil dieses Thema immer wieder hochgekocht wird:
Reden z.B. die etablierten Parteien über die DDR, war der DDR ein fieser Unrechtsstaat. Jeder wurde unterdrückt. Tun, was man für richtig hielt ging nur, wenn man der SED oder der Stasi nahestand. Wer sich nicht linientreu erklärte wurde in miese Jobs abgeschoben, die man nicht wollte. Studieren konnteste sowieso vergessen und auch einen guten Job und Wohnung bekam man nur mit Parteibuch. Eine Diktatur eben, wie sie im Buche steht.
Aber kaum kommt mal das Wort auf unsere Kanzlerin, die angeblich Funktionärin in der FDJ war und nur deswegen an die Akademie der Wissenschaften durfte, wird die DDR plötzlich zu einem Hord der Freiheit. Selbst an der Eliteakademie konnte man gehen, ohne sich irgendwie als mit dem Regime einverstanden zu erklären. Auch attraktive Arbeitsplätze gab es scheinbar ohne SED-Mitgliedschaft.
Ja was denn nun? Was soll man denn glauben? Was kann man denn glauben?
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bonum agere et bonum edere, sol delectans et matrona delectans (Verlängere dein Leben indem du hier und hier und hier und hier klickst!)
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 24 Sep 2009, 12:37
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Nigirimaki     
Punkte: 699
seit: 20.01.2005
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Ich stand z.B. vor der Wahl drei Jahre NVA und Studium oder normal NVA und Lehre. Letztlich bin ich dann gar nicht zur Armee gegangen, was ein Jahr vor der so called Wende mit Tricks und Kniffen machbar war. Habe auch mal kurz in einer "Brigade der DSF (Deutsch Sowjetische Freundschaft)" gearbeitet, weil ich aber nicht Mitglied der DSF sein wollte, durfte ich nicht an Bridagefeiern teilnehmen - verschmerzbar.^^ Generell war mein bewußtes Erleben ab Mitte der Achziger, dass es schon Reglementierungen gab, man konnte aber - im Gegensatz zu früheren Jahren - ganz gut seinen eigen Film fahren (sh. lusch3). Z.B. gab es zwar Berlin- oder Alexanderplatzverbot (besonders zur 750 Jahrfeier der Stadt wurde durchgefegt), aber auch besetzte Häuser im Prenzelberg und einen anarchistischen Pogoreigen unterm Kirchendach. Man konnte kurz vor der Wende auch ohne Job (bzw. mit Gelegenheitsjobs) durchkommen, das wurde paar Jahre früher noch hart unter der Rubrik "assozial" unter Strafe gestellt. Kenne diverse Leute die (aus politischen Gründen oder wegen krimineller Veranlagung) zwangsumgesiedelt wurden, inkl. Zwangsjob. Diese Jobs wiederum waren dann immer mit drei Leuten belegt, damit wenigstens immer einer da war. Wenn man ordentlich "Seid bereit" oder "Freundschaft" gesagt hat, war alles drin. Ein Klassenkamerad von mir hat sich zehn Jahre zur Armee verpflichtet, worauf aus der Kopfnote "Betragen: 5" "Betragen: 3" wurde. Wohnung war generell schwierig. Da ging es aber nicht ums Parteibuch, sondern darum, dass man verheiratet sein sollte. Gerade die gegen die Wohnungsknappheit geschaffenen Neubauwohnungen waren begehrt, da warmes Wasser, Badewanne und Klospülung. Letztere gab es bei uns bis 86 nicht, dafür hat ein ganzes Haus 27 Ostmark Miete gekostet. Für mich war die DDR schon ein Unrechtsstaat, gottseidank einer ohne Todesschwadrone und ganz harter Unterdrückung. Schönzureden gibt es da aber gar nichts. Allein die Stichworte Mauer und Staatssicherheit reichen aus, damit ich mich nie wieder in diese Zeiten zurückwünsche.
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 24 Sep 2009, 12:57
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~Beastie Girl~         
Punkte: 13190
seit: 01.10.2003
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das ist interessant  in der Schule ist die DDR ziemlich an mir vorbeigezogen, da es erst in 13/2 kam, schon Abithemen gewählt waren und alles noch nicht wirklich aufgearbeitet..und das, obwohl ich fast an der Mauer gewohnt habe (Hof) jetzt lese ich grad Spur der Steine, will ne Hausarbeit drüber schreiben (also die Umsetzung Geschichte/Film) Ich hoffe hier auch noch bissl Input zu bekommen  (stichwort Oral History)
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[22:17] cantrella: ich bin der männergarten bunglefever was here! minilusch3n geschlüpft
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 24 Sep 2009, 13:22
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Exmablondchen         
Punkte: 2147
seit: 16.10.2003
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Also an mir persönlich is das ganze auch vorbei gegangen, da ich zu jung dafür bin und in Geschichte hat die Zeit dafür nicht gereicht. Ich kann aber Erzählungen meiner Eltern und Großeltern weitergeben.
Mein Opa war zum Beispiel Lehrer und damit hätte er eigentlich in der SED sein müssen. Er war das aber damals schon so lange (btw konnte er das noch ohne Studium, sondern über Abendschule werden), dass er sich da geweigert hat und auch genug Unterstützung von seiner Chefin und im Kollegenkreis hatte.
Dazu kam, dass der "Aufpasser" der SED, die ja überall waren um die Linientreue zu wahren, bei ihm ne kleine graue Maus war, und wenn er aufn Tisch gehauen hat, wenn ihm was nich gepasst hat, hat die eher Angst vor ihm bekommen, als da irgendwas zu melden. Im Privatkreis, hat er erzählt, wusste man dann einfach bei wem man vorsichtig sein musste.
Mein Vater zum Beispiel hat sehr viele Steine in der Weg gelegt bekommen. Es fing damit an, dass er die Einladung einer von vielen Leibwächtern Honeckers zu werden (weil er groß und kräftig war) , ausgeschlagen hat, und damit natürlich verdächtig war. Das ist auch der erste Eintrag in seiner Stasi-Akte, die er irgendwann mal eingesehen hat. Zusätzlich hat er auch noch Konfirmation statt Jugendweihe gemacht, was es ihm eigentlich unmöglich machte Abitur zu machen. Er musste dann erstmal ne Ausbildung zum Schreiner machen, was er gar nich wollte und hat sich da aber so gut gemacht, dass er dann doch fürs Abitur zugelassen wurden.
Um dann zu studieren, musster er sich auch erstma 3 Jahre für die Armee verpflichten und hat dann auch Diplom gemacht, ohne je irgendwie mit der Partei was zu tun zu haben. Andererseits musste man aber schon ständig heucheln, dass man den Staat mag, sonst wärs ganz schnell vorbei. In den Schulen gab es ja "Marxismus und Leninismus" als Fach und da gings nur darum soviel gutes wie möglich über dieses System zu schreiben. Im Studium gabs das dann auch noch (ich glaube aber da hieß das anders) egal was du studiert hast.
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Jeder spinnt auf seine Weise - der eine laut, der andere leise.
onkelroman war da, yo.Mist -.-
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 24 Sep 2009, 14:00
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dLikP       
Punkte: 1497
seit: 06.10.2006
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Ich war zu jung um davon selber noch was mitzubekommen, aber wenn ich mir Bücher wie "Aktenkundig" durchlese, die beschreiben, in welcher Art und Weise "Staatsfeinde" sowohl in der DDR, als auch nach dem Verkauf in die BRD behandelt wurden, dann wird mir klar, dass an diesem System kein gutes Haar zu lassen ist. Ein recht schönes Zitat: Zitat(Bärbel Bohley) Am meisten erschüttert die Zerstörung und der Verschleiß menschlicher Gefühle. Hier sind Verrat, Lüge, Untreue, Heimlichkeit, Hochmut, Überheblichkeit, die Lust auf Macht und die Kriecherei, die Angst und die Feigheit belohnt worden. (...) Die Staatssicherheit war der große, volkseigene Zauberer und machte aus Unrecht Recht, aus Angst Mut, aus Lüge Wahrheit, aus Betrug Verantwortung, aus Egoismus Nächstenliebe. (...) Lange habe ich geglaubt, daß die DDR zu reformieren gewesen wäre. Erst die Akteneinsicht hat mich endgültig von diesen Träumen befreit. Ein Staat, der in immer größerem Maße die schlechten Eigenschaften der Menschen als Grundlage seines Bestehens braucht, sie über Jahre züchtet und belohnt, kann sich nicht aus sich selbst heraus erneuern. Das trifft auf jeden Staat zu. Er ist zum Untergang verurteilt. Dieser Beitrag wurde von Polygon: 24 Sep 2009, 14:02 bearbeitet
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flickrUnd wenn sie kommt, fährt sie an uns vorbei -RaT-
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 24 Sep 2009, 15:00
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Herr Dachs         
Punkte: 8394
seit: 15.12.2004
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also zum thema studieren: studieren konnte prinzipiell erstmal jeder der nen eos oder vergleichbaren abschluss hatte. dann kamen aber die stolpersteine: WAS und WO man studieren konnte hing stark von der persönlichen einstellung/mitgliedschaften/religion etc ab sicher konnte man überleben, das konnte man bei den nazis auch. trotzdem ist eins fakt: die ddr war eine verachtenswerte diktatur und JEDER der sich nicht so verhielt wie es im (partei)buche stand, der hatte mit leichten bis grausamen repressalien zu leben. (unter repressalie versteh ich bspw auch, daß man an einen stzudienort geschickt wurde wo man garnicht hin wollte obwohl dort noch studienplätze frei waren und dort keine kriterien wie sie bspw bei der studienplatzvergabe jetzt angewendet werden, sondern nach nase entschieden wurde) die ddr ist immernoch nicht hinreichend aufgearbeitet und wird leider oftmals romantisch verklärt. verbrecher der ddr-geschichte sind immernoch in allen möglichen ämtern zu finden (sogar bis an die spitze sogenannter demokratischer partei(en)) sicher ist es richtig, daß ab mitte der 80er Jahre die menge der leichten repressalien stark zurück gegangen ist, die großen bis grausamen (das schließt entführungen, hinrichtungen und folter mit ein logischerweise  ) ist allerdings bis zum ende gleich geblieben.
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 24 Sep 2009, 17:53
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temporäres Prekariat       
Punkte: 1102
seit: 13.10.2005
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Kann nur aus meiner Familie erzählen: Was sicher am Anfang noch strenger - mein Opa durfte nach dem Krieg nicht an der TU-DD Maschienenbau studieren, obwohl er schon eingeschrieben war, da er durch den Krieg als Soldat militärish vorbelastet war und sein Vater auch Offizier war (als Sprengmeister/Feuerwerker). Is dann halt EOS-Lehrer geworden. Mein Vater is Dipl.-Physiker ohne jemals in der SED gewesen zu sein - aber weiterer aufstieg im Betrieb (Abteilungsleiter, ...) war nicht möglich. Meine Mutter was seid dem Abi in der SED und ist dann 1988 augetreten als der Sputnik verboten wurde. Das hatte aber keine beruflichen Konsequenzen, etc. Und bissel tricksen musste man schon - die 144m2-Wohnung zu dritt hatten wir auch nur, weil auf dem Papier noch untervermietet wurde und Telefon, weil mein Vater gesagt hat, er hätte Bereitschaftsdienst auf Arbeit (Braunkohle) - was aber nie passierte  Ich selber hatte nur mal "Probleme mit dem System", als ich den Vorgeschlagenen Klassenkameraden nicht in den Pionierrat wählen wollte, da er ne Woche vorher einen Direktorentadel bekommen hatte (und von ihm wusste, dass er eigentlich gar keinen Bock darauf hat). Also ich kann mich privat nicht über meine 11 Jahre DDR beschweren.
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A: Ich will was mit Alkohol drinn B: Dann nimm doch Nancy ;)
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