
Froschologe       
Punkte: 1018
seit: 19.06.2006
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Scheint fast so, dass diejenigen die gelitten haben, die DDR verteufeln, in allen Facetten. Andere verklären sie romatisch, weil man sich mit den Einschränkungen der damaligen Zeit, sich genauso arrangieren konnte, wie mit den heutigen.. Wage jetzt mal die kühne Behauptung, allen denen es nun deutlich besser geht, inklusive deren Kinder, sehen die DDR als Diktatur (Ziehen sogar Vergleiche mit dem dritten Reich). Oft genannter Fakt - Studieren mit Akademikern als Eltern, nahezu unmöglich. Ist ein absolut negativer Punkt - mit dem hehren Ziel, jeder ist jedem gleich, Vereinigung von Hammer und Zirkel unvereinbar. Frage: Wie sieht es denn jetzt aus? Rein rechtlich ist es erlaubt. Jeder hat nach dem Gesetz die Chance zu Studieren. Aber ist es auch gesellschaftlich für jeden möglich? Vom familären Chaos bei einigen Akademikerfamilien, wenn der Filius nicht wenigstens das Abitur erreicht, ganz zu schweigen (Wäre insgesamt mal eine Studie wert, wieviel Prozent der Kinder aus unteren bis mittleren Einkommensschichten in Ost und West, den Weg zur akademischen Ausbildung gehen. Und ob sich das seit der Wiedervereinigung gravierend verändert hat.) Optionsfrage: Ist die BRD eine Diktatur des wohlhabenden Bürgertums? (Stichwörter: Nachhilfe, steigende Zahl von Privatschulen, Auslandsverschickung - vieles davon benötigt einen "relativ" strammen Geldbeutel)
Zweite große Sache: Der Mantel des Schweigens in der BRD. Wo ist hier die tatsächliche Aufarbeitung? Es gibt zahlreiche Institutionen, Firmen, Privatpersonen, Vereine - die eine eindeutig nachgewiesene Verstrickung mit dem dritten Reich hatten. Journalistisch ist das alles aufgearbeitet - aber auch gesellschaftlich? Wo ist hier der konsequente Schlussstrich gezogen worden? Es gibt zig Sachen, da flattern ein die Ohren - außer einer kurzlebigen Revolte der Kinder gegen die Eltern des dritten Reiches ist wenig passiert. Nur die hohen Granden bzw. die blutrünstigsten Verbrecher wurden tatsächlich korrekt abgeurteilt. Wenige Kinder haben das finzanielle Erbe aufgrund der Verstrickheit abgelehnt, nur menschlich mit den Eltern gebrochen. Gerade an diesem Geld klebt doch aber noch immer das Blut von zig tausenden Zwangsarbeitern (der Staat hat hier meist seine Schuld bezahlt, die juristischen Auseinandersetzungen auf dem privaten Sektor waren doch eine Farce). Es wurde gesellschaftlich ein Schlussstrich aus der Not gezogen, weil sonst ein so schneller Wiederaufbau nicht möglich gewesen wäre (kann man auch in amerikanischen Rückblicken auf die Entnazifizierungszeit nachlesen bzw. gibt es auch darüber hervorragend aufgearbeitetes Material) Erst kürzlich passend zu diesem Thema aufgetretener Eklat: Filbinger-Trauerrede (andere Sachen sollen Journalisten immer wieder ansprechen - die sind Prozesse gewöhnt) Frage: Wie kann ein Teil eines Landes etwas fordern, was er selbst nie konsequent durchgezogen hat? Optionsfrage: Wiegt die inhaltliche Konsequenz eines "Nie wieder" (und selbst der eingefleischeste DDR-Fetischist möchte eigentlich diesen Staat in Gänze nicht zurück, sondern lediglich Teile davon) nicht schwerer, als die Feststellung, dass G.P. Glücksstadt, aus B. an der S., als Mitglied des bla, Erna K., aus D. an der E. die Ausreise verweigert hat?
Wichtigste Sache: Die DDR war ein SATELLITENSTAAT. Wenn man das Wort Diktatur für die DDR als Staat benutzen möchte, was durchaus mit Abstrichen im Vergleich zu heute existierenden Diktaturen legitim ist, dann sollte man doch wenigstens den Punkt anführen, dass es eine eingerichtete Diktatur war. Das Gebiet der heutigen neuen Bundesländer war eine BESATZUNGSZONE. Und zwar weil Menschen aus beiden Teilen freudestrahlend und mit einem Juchee auf den Lippen gen Osten, Süden, Norden und Westen gezogen sind. SIE HABEN VERLOREN - BEIDE. Einem Teil wurde relativ schnell verziehen, man butterte Geld rein, man machte sie demokratisch, zog Firmen nach amerikanischen Muster hoch, zeigte Unternehmern wie Marktwirtschaft funktioniert (ja, Marktwirtschaft ist kein Kind vom Ehrhard, hunderte Industrielle mussten erstmal die Staaten bereisen, um zu lernen, wie Unternehmungen im großen Stil ohne den Staat überhaupt funktionieren, wie man Nachfrage ohne etwaig bevorstehende Kriege überhaupt generiert) und wie man ja nicht, noch geblendet von der fixen Idee des Nationalsozialismus, der anderen teuflischen Ideologie des Kommunismus verfällt. Ja man erlaubte sogar die Gründung von Vereinen - die in aller Öffentlichkeit über den selbstverschuldeten Verlust ihrer ehemaligen Ländereien rumheulen dürften. Dem anderen Teil wurde eine in Moskau herangezüchtete Regierung verpasst. Unter dem Deckmantel des selbstgewollten Elends wurden 1 zu 1 Strukturen der Sowjetunion übernommen. Wer nicht dafür war, wurde ebenfalls nach sowjetischen Muster zum Schweigen gebracht. In den Jahren nahm man die Härte zurück, jedoch nicht die Richtung (wer immernoch glaubt, es lag nur an den dämlichen Ossis, zu doof für Demokratie und freie Marktwirtschaft - gucke sich doch mal die Aufstände in den sozialistischen Bruderländern an, in der DDR, so hört man vielleicht noch manchmal, solls ja auch mal was Kleines gegeben haben - der eine Feiertag ist jedenfalls nicht als allgemeiner Grilltag etabliert worden, wo man nicht zu arbeiten brauchte). Frage: Wie hätte jeder von uns damals gehandelt? Mitmachen, Arrangieren, Heimat aufgeben und flüchten? Die Sowjetunion hat für eine lange Zeit unabänderbare Tatsachen geschaffen, sicherlich mit ostdeutschen Helfern, deren Zahl nach Schaffung der Tatsachen größer wurde, aber denooch hat sie insgesamt über Weh und Amen entschieden (und wenn das ZK noch so selbstbestimmt in den westlichen Medien auftrat). Ohne Zustimmung der UDSSR hätte es keine Mauer gegeben (auch wenn Ulbricht noch so bettelte - weil die, die es konnten weggingen). Ja selbst die Amerikaner taten doch nichts außer mal Laut geben. Den war doch klar, das ein Exodus im Osten nicht ganz ohne ökonomische und politische Folgen bleiben würde. Ärzte, Akademiker okay, aber was sollten sie denn mit den ganzen anderen anstellen. Ohne Hilfe des KGB wäre doch die Stasi nicht der absurde Apparat geworden, der er war, ohne die UDSSR hätte es keine Planwirtschaft gegeben. Wer das alles suspekt findet, sollte sich doch mal mit der ehemaligen Förderation Jugoslawien beschäfftigen - hier gab es nur einen Sonderweg, weil Tito eine solch herausragende Persönlichkeit war, dass die Russen hier nicht ihre Ideologie umsetzen, und er sein eigenes Reich schaffen konnte. Insgesamt sag ichs mal frei wie in "Die Welle" - unter Umständen wäre in einer anderen Zeit aus jedem der jetzt rumtönt, wie blöd man doch war, hier nichts dagen zu unternehmen, ein "guter" DDR-Bürger oder schlimmer Nationalsozialist geworden. Soll doch froh sein, wer im Hariboland aufgewachsen ist und sich nicht mit den wenigen Sachen arrangieren musste, die einem nicht genommen werden konnten. Die WENDE kam erst durch den Umbruch in der UDSSR, auch wenn manch Rundtischler dies heute nicht mehr ganz so sieht, könnte ja die eigene Bedeutung in der Geschichte schmälern. Beteiligte Russen und Amerikaner lachen sich heute noch kaputt, über die Einfältigkeit von manchen Politikern, die deutsche Einheit sei das Werk einzig und allein der Deutschen.
Letzte Sache: Verdrängung ist eine probate Eigenschaft des Menschen. Nimm doch jeder mal sein eigenes Leben als Beispiel. Wer sich hier mehr an die schlechten Sachen erinnert, soll doch dringend mal zum Psychologen - könnte auf Dauer schlecht für das eigene Ego sein.
Und ja - kacken mit anderen Kindern aufm Gemeinschaftsklo war eine hervorragende Sache, hat richtig schön doof und ungeoistisch gemacht. Die Brüste meiner Pionierleiterin versetzen mir heute noch das Blut.
Wer nach Vergangenheit fragt, sollte bei Schnittpunkten, und nicht in der Mitte anfangen. Dann würden sich viele Ostdeutsche bestimmt nicht als Einfältige fühlen, bloss weil sie auch nichts anderes gemacht haben - als LEBEN - Leben in einer vorgegebenen Welt!
Quintessenz dieser Sache: manchen Verlierern geht es schlecht, andere haben einen Benz vor der Tür
Dieser Beitrag wurde von SHARK: 24 Sep 2009, 21:08 bearbeitet
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Everybody knows that the boat is leaking Everybody knows that the captain lied
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