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post 15 Sep 2003, 19:18
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seit: 01.10.2003

Zitat
Dresden bekommt eine neue Altstadt
Nach dem Wiederaufbau der Frauenkirche folgt das größte deutsche Rekonstruktionsvorhaben innerstädtischer Wohnquartiere nach 1945
von Dankwart Guratzsch


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Dresden -  Je weiter der Wiederaufbau der Dresdner Frauenkirche voranschreitet, desto mehr rücken nun auch die Baufelder im Umfeld der Kirche ins Blickfeld der Öffentlichkeit. Seit der Dresdner Bombennacht im Jahre 1945 und seit der Beseitigung der Trümmer sind sie unbebaut geblieben. Jetzt aber flankieren Bauzäune die Areale, auf denen einst schmucke barocke Wohnhäuser standen. Als vor wenigen Tagen die Gerüste fielen, die die neu erstandene Kuppel der Kirche verhüllt hatten, wurde die Diskrepanz schlagartig bewusst. Hier der hell leuchtende Neubau, der mit dem Geld von 60 000 Spendern errichtet wurde - und daneben die wüste Stadtbrache.  


Jetzt allerdings soll sie verschwinden. Am Dresdner Neumarkt entsteht auf einer Fläche von rund vier Hektar eine \"neue Altstadt\"; denn das ist die ungewöhnliche Vorgabe: Das zentrale innerstädtische Quartier soll in weitgehend historischer Gestaltung errichtet werden. Damit wagt sich die heute östlichste Großstadt Deutschlands an ein Bauvorhaben, wie es bisher nur in polnischen Städten unter den Bedingungen der Staatswirtschaft realisiert worden ist.  


In Dresden sind es erstmals private Bauherren, die für das größte deutsche Rekonstruktionsvorhaben innerstädtischer Wohnquartiere nach dem Zweiten Weltkrieg die Verantwortung übernehmen. Hinsichtlich Anspruch und angestrebter Qualität ist es vollkommen vorbildlos. Bis zu 60 Wohngebäude sollen zumindest äußerlich in weitgehend getreuer Nachbildung der historischen Fassaden der Barock- und Rokokozeit gestaltet werden, die nur noch von Fotos bekannt sind.  


Dabei handelt es sich keineswegs um puppenstubenhaft niedliche, \"verspielte\" oder \"gemütliche\" Altbauten, sondern um vier- bis sechsstöckige Gebäude von früherem \"großstädtischen\" Anspruch. Teils sind sie in einem schlichten, aber fein proportionierten \"Hungerstil\" ausgeführt, wie er in Sachsens Hauptstadt nach den Zerstörungen des Siebenjährigen Krieges entwickelt worden war, teils aber auch sind es Werke großer Architekten, deren Ornamentik, deren Proportion und deren harmonische Gestaltung eine hohe künstlerische Raffinesse beweisen.  


Wie kann ein solches Projekt durch private Investoren realisiert werden? Wie lässt es sich in einer Zeit schwacher Baukonjunktur platzieren? Was für Kosten müssen kalkuliert werden? Wie ist es technisch und künstlerisch zu bewerkstelligen? Welche Hilfe leisten die Ämter? Welche Nutzungen sind vorgeschrieben? Welche Auflagen einzuhalten? Und schließlich: Wie kann sich all das in der Zukunft rechnen? All diese Fragen beherrschen die Planer, Macher und Investoren.  


Die Erfahrungen der Grundstücksverkäufer - fast ausschließlich und zu etwa gleichen Teilen die Stadt Dresden und der Freistaat Sachsen - sind äußerst überraschend. Das Engagement der überwiegend ortsfremden Investoren für den möglichst originalgetreu-historischen Wiederaufbau des Stadtquartiers ist unerwartet groß. Andererseits ist noch immer erst die Hälfte der Grundstücke vergeben. Das scheint dafür zu sprechen, dass die ungewöhnliche Aufgabe doch auch so manchen Bauherrn schreckt, wie ja ohnedies die Lage auf dem Büro- und Wohnungsmarkt die allgemeine Risikobereitschaft dämpft.  


In Zahlen: Von insgesamt 115 bebaubaren (historischen) Parzellen befinden sich heute 57 in privater Hand. Für 40 bestehen bereits konkrete Bauabsichten. Über den Verkauf von weiteren 35 Parzellen verhandelt die Stadt noch mit Interessenten. Neun Parzellen haben der Freistaat Sachsen und der Bund ausgeschrieben, die Ausschreibung von zusätzlichen 14 Parzellen wird gegenwärtig noch durch den zu DDR-Zeiten errichteten monströsen \"Stasi-Trakt\" des Polizeipräsidiums blockiert, dessen Abriss für das Jahr 2005 geplant ist.  

Als Kaufpreis für die Grundstücke legen die Stadt Dresden und der Freistaat Sachsen die aktuelle Bodenrichtwertkarte zugrunde, die im Neumarktgebiet von einer fünfgeschossigen, geschlossenen Mischbebauung ausgeht. Der Quadratmeter Bauland wird auf 4400 Euro veranschlagt. Die Grundstücke sind als \"Bauplätze\" und \"Quartiere\" von bis zu 8800 Quadratmetern (Freistaat) Grundfläche ausgewiesen, müssen aber in Parzellenstruktur bebaut werden. Mindestens 20 bis 25 Prozent der Geschossfläche (jeweils ohne Parterre gerechnet) sind für Wohnungen zu reservieren, bis zu 300 Quadratmeter können für Kanzleien, Praxen und Institute vorgesehen werden. Neben der Ansiedlung von \"kleinen Hotels der vorwiegend mittleren Preisklasse\" wird die Niederlassung \"kleinteiliger Geschäfte des gehobenen Standards, Gaststätten mit spezifischem Flair, Kunsthandwerk und sächsischem Handwerk\" angestrebt.  


Die größte Herausforderung für die Investoren liegt in der vollkommen ungewohnten Aufgabe, ein Neubauquartier in \"historischer Gestalt\" zu planen. So besagt das \"Städtebaulich-gestalterische Konzept\" vom 17. Januar 2002: \"Die heute noch im Bereich ablesbare oder dokumentierte Quartierstruktur mit den erhaltenen historischen Bauten ist aufzunehmen oder wiederherzustellen.\"  


Einige besonders wertvolle Bauten sind dabei von der Denkmalpflege als \"Leitbauten\" deklariert worden; sie sollen sogar von Grund auf originalgetreu wieder errichtet werden. \"Der Grad der Rekonstruktion\", so heißt im Gestaltungskonzept, \"ist abzuleiten aus der Vollständigkeit vorhandener Dokumentationen\". Das Gestaltungskonzept, über dessen exakte Einhaltung ein eigens eingesetzter \"Gestaltungsbeirat\" wacht, sieht in erster Linie zwei Kategorien denkmalpflegerischer Rekonstruktion vor:  


- Vollständige Wiederherstellung der Fassade und der Hauptgrundrissstruktur und  


- Wiederherstellung der gut dokumentierten Fassade bei neu zu gliederndem Grundriss.  


Aber auch für alle anderen im Dresdner Neumarktbereich zu errichtenden Gebäude gelten Vorgaben, die die \"Stimmigkeit\" der Neubebauung und den Bezug zum \"Hauptbau Frauenkirche\" garantieren sollen. So sollen alle Bauten Sattel- oder Mansarddächer mit roten Tonziegeln erhalten. Fassaden und Materialien müssen sich an den Leitbauten orientieren, Balkone und Loggien an den Straßenfronten sind nicht zulässig, gut erhaltene alte Keller sollen möglichst integriert werden.  


Trotz dieser Vorgaben haben sich Investoren gefunden, die von sich aus in - wie es heißt - ungeahnt leidenschaftlicher Weise gerade für die vermeintliche Historizität \"ihrer\" Fassaden streiten - eine ganz neue Auseinandersetzung mit scheinbar verkehrten Fronten, die ihre Ursache in den speziellen Bedingungen der Dresdner Bauaufgabe hat. Für viele Bauherren am Dresdner Neumarkt ist gerade die (künstliche) Geschichtlichkeit des Quartiers der Dreh- und Angelpunkt ihrer gesamten Investition. 250 000 Besucher zählte die Baustelle der Frauenkirche allein im Jahre 2002 - nicht mitgerechnet jene Hunderttausende, die sich zusätzlich am Bauzaun die Nase platt drückten. Die angrenzende Münzgasse mit ihrer anspruchslosen DDR-Bebauung hat sich in wenigen Jahren zu einem wahren Rummelplatz des Tourismus entwickelt.  


Schon jetzt - vor der Fertigstellung der Frauenkirche in 2005 und dem großen Stadtjubiläum ein Jahr später - hat das einstige Elbflorenz den Rang der fünftgrößten Fremdenverkehrsmetropole von Deutschland erobert - hinter Berlin, München, Hamburg und Köln. Das ist das Kalkül, das hinter dem größten privaten Rekonstruktionsprojekt Deutschlands steht.  


Artikel erschienen am 15. Sep 2003



Quelle: www.welt.de

oder direkt: http://www.welt.de/data/2003/09/15/168598.html?s=2


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ProfilPM
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post 09 Oct 2003, 17:17
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Freidenker
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Punkte: 275
seit: 24.05.2003

Dann woll´n mer doch gleich mal dagegenhalten!

Bevor die Bagger kommen Quelle:www.welt.de


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tragt eure silberhütchen!
ProfilPM
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post 10 Oct 2003, 02:04
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lowdesertpunk
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Punkte: 3684
seit: 01.10.2003

mir zu viel text um die uhrzeit. aber die überschrift is nen bissken paradox huh.gif :P


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» Stoner rock doesn't bother me. If thats what the people decide to call this musical movement then so be it. I just hope it doesn't become too formulaic. There is nothing wrong with Black Sabbath riffs and songs about weed ... I would just like it to evolve musically as much as stay the same. That way we can talk about stoner rock in 15 years and it will still be a vital and credible thing. « (Brant Bjork)
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