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> Wer verträgt eigentlich die Wahrheit? Themenschwerpunkt Kommunikation

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post 20 Jul 2005, 14:07
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1. Schein
*

Punkte: 39
seit: 26.04.2005

Der Konsument fordert einerseits nicht beschissen zu werden, andererseits kann er die ungeschminkte Wahrheit aber auch nicht vertragen.

Die aktuelle Ausgabe ist auch sonst wirklich lohnenswert und enthält auch Anregungen zur aktuellen Diskussion im Workblogger.

Der Pudding, die Wand und der Nagel
brand eins Magazin, Text: Wolf Lotter

Der einzige Zweck von Kommunikation ist heute, was dabei hinten herauskommt. Halten wir uns das mal vor Augen und direkt unter die Nase.

Und dann reden wir noch mal darüber.

"[...]Der Wettbewerb sei hart. Ackermann vergleicht ihn mit der Flucht vor einem Bären: „Wer überleben will, muss zwar nicht unbedingt so schnell laufen können wie der Bär, aber bitte doch schneller als die Mitläufer.“ Noch bevor jemand überlegen kann, was das krumme Bild eigentlich bedeutet, ist der Vorsitzende schon beim eigentlichen Thema: Um dem Bären zu entkommen, müssten nun mal Leute gekündigt werden – in Deutschland sind „netto 1920 Stellen betroffen“. Er sagt das wirklich so: netto 1920 Stellen. Das ist, nicht nur nach den Regeln professioneller Kommunikation, schlicht minderbemittelt. Kündigungen, die formuliert werden wie ein Gewinn nach Steuern. Es ist verständlich, dass wütende Gewerkschafter und Kritiker ihm vorwerfen werden, er habe damit sein unsägliches Victory-Zeichen, das er ein Jahr zuvor breit grinsend im Mannesmann-Prozess zeigte, wiederholt. Doch Josef Ackermann, der Kaspar Hauser des Kapitals, versteht das nicht. Er habe doch nur auf der Hauptversammlung gesagt, was er zuvor schon den Fachleuten in der Analystenkonferenz gesagt habe. Er könne doch nicht hier das eine und dort etwas anderes sagen. „Wir sagen das, was wir denken“, sagt Ackermann. Das ist ein Zitat eines seiner Vorgänger, Alfred Herrhausen, dem von der RAF ermordeten Vordenker der Deutschen Bank.

Kleiner kann man sich durch einen Vergleich nicht machen.

Nun ist all das ungeschickt. Aber ist es falsch? Sagte Ackermann nicht, was er dachte? Zu sagen, was man denkt, war auch das Problem von Hoechst im Jahr 1993. Der Werksleiter von Griesheim sagte die Wahrheit, gab also alle Informationen punktgenau, sogar nach DIN-Norm[...] weiter...


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Please allow me to adjust my pants so that I may dance the good time dance and put the onlookers and innocent bystanders into a trance
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post 20 Jul 2005, 15:25
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Straight Esh
*********

Punkte: 14030
seit: 01.10.2003

Interessanter Artikel, trifft leider meine Meinung nicht. Während der Autor der Meinung ist, dass viele Missverständnisse (d.h. Wahrheit als Lügen deutet) daher rühren, dass die Menschen unfähig sind, dass was sie ausdrücken wollen auf den Punkt zu bringen, vertrete ich einen anderen Standpunkt. Und zwar sind die Leute von heute unfähig Beziehungen und Gründe darzulegen.

Die Menschen im Umland von Hoechst wissen, dass die dortigen Arbeiter tagein, tagaus Schutzanzüge tragen müssen, jeder der einen persönlich kennt, hat ihn schon mal von hochgiftigen Substanzen reden hören. Klar, dass vor diesem Hintergrund die Meldung "ist ja fast nichts passiert, das war ja nur sehr gering toxisch", sehr unglaubwürdig. Diese Lücke in volksverständlichen Worten zu schliessen ist nicht passiert.

Ähnlich gelagert auch der Fall Ackermann. Zu verkünden, dass man netto 2,4 Milliarden Euro Gewinn gemacht hat, aber trotz allem 1920 Stellen abbauen muss, muss erstmal jemanden klar gemacht werden. Für den normalen Arbeiter sieht das so aus wie "die Großen wollen den Gewinn behalten, und wir müssen dafür bluten".

Ähnlich auch Wahlversprechen. Mal abgesehen davon, dass dort sowieso mit Versprechungen geworben wird, die nur umsetzbar wären, wenn die Partei 100% bekommt, die Wirtschaft plötzlich 20% Steigerung pro Jahr bringt und man sich beim Lesen das Wahlprogrammes schon etwas wundert, wieviel man aus einem nichtigen Nebensatz herausziehen kann, gelingt es den wenigsten Politikern des Volkes zu erklären, warum man diese nicht umsetzen kann. Erklärungen wie "wir saßen zwar die ganze Zeit im selben Gremium, aber konnten trotzdem erst nach der Wahl nachschauen, dass wir gar nicht mehr genügend Geld besitzen um unsere Wahlversprechen einzulösen" klingen sowohl dem kleinen Mann als auch dem Politikerfahrenen sehr komisch in den Ohren.

Die syntaktische Lücke zeichnet sich also nicht in der schlechten Kommunikation der Tatsachen aus, sondern in der schlechten Kommunikation der Erklärungen. Da aber eine Erklärung nur echt klingt, wenn sie auch echt ist (ist doch das Thema so komplex, dass man länger brauchen würde eine stichfeste erlogene Erklärung zu finden, als die betreffende Person lebt), wird sie in den meisten Fällen schlicht weggelassen oder zu detaillos gegeben.


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