irgendwie ist das aber ein faszinierendes mittel in seinen büchern. gerade bei "Stiller" weiß man eigentlich von anfang an bescheid was sache ist, aber bis zur letzten seite wird offen gelassen, ob das was ganz offensichtlich ist, wirklich der wahrheit entspricht oder nicht und das ist mehr als genial, ich kenne kein buch, wo das schon mal funktioniert hätte, den leser derart zu fesseln und dabei so wissentlich im ungewissen zu lassen wie bei "Stiller". bei "Homo Faber" ist das ja mit seiner tochter ganz ähnlich gemacht. wenn man dabei betrachtet, dass es Frisch immer um die identität und die auseinandersetzung mit sich selbst geht, ist das ein wunderbares stilistisches mittel. dem leser wird das übrigens auch erst am ende so richtig endgültig klar.
/edit: und was mir auch gerade noch einfällt.. man sollte Frischs bücher mal in unterschiedlichem alter lesen - sehr interessant, weil man mit mehr eigener reife und erfahrung viel mehr von seinen worten versteht. es ist ziemlich sinnlos "Homo Faber" in der schule lesen zu lassen, denn niemand hat da bereits eine langjährige beziehung, geschweige denn eine ehe vorzuweisen und kann sich dementsprechend nicht in die rolle Fabers versetzen. mit zunehmenden alter geht das aber umso besser.
Dieser Beitrag wurde von yocheckit: 31 Dec 2005, 17:58 bearbeitet
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Kleine Aster Ein ersoffener Bierfahrer wurde auf den Tisch gestemmt. * Irgendeiner hatte ihm eine * dunkelhellila Aster * zwischen die Zähne geklemmt. * Als ich von der Brust aus * unter der Haut * mit einem langen Messer * Zunge und Gaumen herausschnitt, * muß ich sie angestoßen haben, denn sie glitt * in das nebenliegende Gehirn. * Ich packte sie ihm in die Brusthöhle * zwischen die Holzwolle, * als man zunähte. * Trinke dich satt in deiner Vase! * Ruhe sanft, * kleine Aster! -Gottfried Benn (1912)-
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