Das Wissenschaftjahr 2007 steht unter dem Motto "Die Geisteswissenschaften. ABC der Menschheit!", wie ihr viele von euch sicher schon in der ad rem gelesen haben.
Für mich der blanke Hohn, genauso wie dieser Artikel! Das letzte Jahr war nicht etwa den Natur- oder Ingenieurswissenschaften gewidmet sondern der Informatik! Also EINER Wissenschaft. Nicht einem ganzen Wissenschaftsbereich! Na gut, handeln sie uns dieses Jahr eben alle schnell mal ab, dann nerven wir die nächsten nicht mehr so.^^
Zitat(ad rem)
Die stiefmütterliche Behandlung der Gesiteswissenschaften in der ersten Runde der Konkurrenz um die Eliteuniversitäten (...) führte als Protestreaktion bereits zu einer verstärkten Repräsentanz in den bundesweiten Medien.
wann und wo soll das denn geschehn sein? Habt ihr davon was mitbekommen? Hab ich denn irgendwas verpasst? Was bitte soll denn "Positive Diskriminierung" (ad rem) sein? Warum weigert sich die Volluniversität Dresden seit Jahren, den Namen TU abzulegen? Warum sind wir NOCH UNCOOLER als die Naturwissenschaftler? Warum gießen Professoren noch Öl ins Feuer? Bin ich einfach nur zu dumm WAS VERNÜNFTIGES zu studieren? Bitte erklärt mir die Sinnlosigkeit meiner Existenz...
Was haltet ihr von diesem stetigen Krieg zwischen den einzelnen Wissenschaftsfeldern? Wie seht ihr das Wissenschaftsjahr 2007 und seine Thematik? Was versprecht ihr euch davon? Ist das "Land der Dichter und Denker" nur noch eine Phrase? Ein Rudiment? Und: ist das gut so?
PS: das einzig witzige an diesem artikel ist die karrikatur! der prof hält die hände wie Phidias immer
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Lore Inga Rick hat dem Wellensittich beigebracht "Hitler" und "Goebbels" zu sagen
Des Baumes Früchte fallen meist nicht weit vom Stamm und gründen neue Bäume, Sprößlinge, die neu sind und doch auch Altes in sich tragen.
Und damit dieses Alte in den Früchten auch als solches erkannt wird gibts den Historiker - guter Pass Squeedy, danke
Nagut, hab meinen Namen hier oft genug gehört ... geb jetzt auch mal meinen Senf dazu
Damals - in einer Zeit vor dem handelsüblichen Maschinengewehr und der Atombombe (mitte 19. jahrhundert) - sah sich ein recht junger Berufsstand ähnlichen Problemen ausgesetzt, wie die Geiwis heutzutage. Das junge Ingenieurstum, dass sich an technischen Bildungsanstalten und in diversen Tüftlerwerkstätten rekrutierte sah sich dem monolithischen Koloss der alten Wissenschaften - Theologie, Philosophie, usw. - gegenübergestellt. Jeder Absolvent einer dieser Trationdionslinien konnte damals mit gesellschaftlichem Prestige und Anerkennung rechnen. Dem Ingenieur als solchem, der sein Tagewerk auf praktischeren Bahnen verrichtete als die übliche "Wissenschaft", wurde ein großes Maß an Misstrauen entgegengebracht - ja man verschrie sie sogar als Emporkömmlinge und größenwahnsinnige Handwerker.
Die folgenden siebzig bis hundert Jahre brachten eine Gesellschaft hervor, deren Grundfesten verbrennende Motorkraft (entwickelt in den 1870ern von Otto, Daimler und Maybach) und Elektrizität (stark vorangebracht durch die Entdeckung des dynamo-elektrischen Prinzips 1866 von Siemens) waren - Entdeckungen, die komplett an der rigiden Universitätsstruktur vorbeigingen. Hinzu kam die Emanzipation der Ingenieure über Integration diverser allgemein-geisteswissenschaftlicher "Institute" in deren Ausbildungsprozess und die immer weiter voranschreitende kulturelle Aufladung der Technik an sich (Paradebeispiel hierfür ist der Siegeszug des Autos, das sich rein vom Nützlichkeitsfaktor her betrachtet niemals in derart sprunghaftem Maße durchgesetzt hätte - die Triebfedern waren kulturelle Leitbilder von Individualität und Freiheit).
Somit sah sich die "alte Elite" einer "neuen Elite" gegenüber, die in weniger als einem Jahrhundert mehr kulturelle Umbrüche bezweckt hatte, als es hochgradig ausdifferenzierten Theorien jemals zu erträumen gewagt hätten. Man könnte fast behaupten der Emanzipation der Ingenieure wäre eine Degradierung der Geisteswissenschaftler gefolgt, aber an diesem Punkt schaltet sich mein arrogantes Historiker-Ego ein und behauptet steif, dass sich neben den alten Prestigeschienen neue gebildet haben, die lediglich ein höheres Interaktionspotential mit ihrer direkten Umwelt aufweisen - zu deutsch und mal auf nen Punkt gebracht:
Ingenieurswissenschaften und Geisteswissenschaften lassen sich nicht adäquat vergleichen - die Einen entstammen einer Tradition, die versucht direkten Einfluss auf die Umwelt auszuüben, bzw. diese weitestgehend detailgetreu wiederzugeben, währenddessen die Anderen damals wie heute Reflektionsmechanismen menschlicher Handlungsweise unter verschiedenen kulturellen Aspekten darstellen.
Inwiefern jetzt eine dieser Traditionen wichtiger sein soll als die Andere, soll jeder für sich entscheiden, aber nur mal so: Welcher Teil der vielleicht irgendwann mal gefundenen Weltformel verrät dir, warum du das hier gerade gelesen hast?
PS: so - ich weiß, dat sich das letztendlich wie ein werbetext anhört und wenig konstruktives beiträgt, aber was ich hier sehr schön demonstriere (selbstlob is manchmal echt schick, wa? ) ist der Selbstzweck menschlicher Reflektion ... man muss damit nicht argumentativ 'n besseres standbein finden, oder bessere jobchancen haben - aber wissen warum man gehandelt hat, wie man gehandelt hat, oder zumindest nachzuvollziehen wie dich deine vorfahren in die situation gebracht haben, in der du jetzt steckst, verbessert deine chancen, wenn du der bösen "warum bin ich hier und wat mach ick hier eigentlich?"-frage gegenüberstehst - und bei der hilft dir kein noch so hochtechnisierter Abakus
PPS:
Zitat(Fuchs @ 31 Jan 2007, 12:51)
PS: das einzig witzige an diesem artikel ist die karrikatur! der prof hält die hände wie Phidias immer
was mach ich?
Dieser Beitrag wurde von Phidias: 01 Feb 2007, 00:35 bearbeitet
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Der Beamte und der Philosoph beziehen ihre Stärke aus der Sachfremdheit. - Friedrich II.