Aufhänger ist dieser Artikel in der Süddeutschen: klick
Venezuela erhöht den Mindestlohn um 20%. Darüberhinaus soll die Arbeitszeit in den nächsten 3 Jahren von 8 auf 6 Stunden pro Tag abgesenkt werden. Man hat sich auch aus den Schulden des IWF und der Weltbank befreit und verkündet nun den Ausstieg aus beiden Organisationen. Auch Wikipedia gibt einige interessante Eindrücke von Venezuela. Erklärtes Ziel ist der Sozialismus, der Staat wird im Moment auf eine Vorstufe umgebaut. Man hat die in Venezuela tätigen Ölkonzerne enteignet um das Geld aus diesen Geschäften vollkommen der Bevölkerung zugute kommen zu lassen. Trotz dieser Maßnahme wird das Privateigentum in Venezuela respektiert. Es gibt kostenlose Bildung für alle, genauso wie ein kostenloses Gesundheitssystem aufgebaut wird. Interessant ist weiterhin, dass Öl an Bedürftige zu günstigeren Konditionen angeboten wird. So unterstützte Venezuela einen Bundesstaat in USA mit bis zu 40% billigerem Öl gegen die gestiegenen Heizkosten und handelte mit den UK billigere Öllieferungen aus. Diese werden dort verwendet um billigere ÖPNV-Tickets für Bedürftige anzubieten. Zusätzlich übermittelt London Know-How in Abfallwirtschaft, Recycling, Verkehrsplanung und Reduzierung von CO2. Die Arbeitslosenquote fiel von 16,8% in 2003 auf 9,5% in 2006. Das BIP stieg von 4200 USD auf 6100 USD in 3 Jahren (wobei aber nur 16% des BIP aus Erdöl erwirtschaftet werden). Das Staatsdefizit liegt bei ca. 0,5% des BIP. Doch es gibt auch Faktoren die nicht so günstig aussehen. So liegt die Inflationsrate bei ca. 12%(auch wenn sie noch vor einigen Jahren bei 31% lag). Auch die Mordrate ist erheblich gestiegen, 19,61 Morde pro 100.000 Einwohner gab es 1998, 2006 waren es schon 58,4.
Was haltet ihr von diesem Land und von seinem derzeitigen Führer und Visionär Hugo Chavez?
Ich habe in Kanada zwei Menschen aus Venezuela getroffen, die praktisch vor Chavez "geflohen" sind: Beide aus der Oberschicht, Familie viel Geld, sie hatten eine gute Bildung (Privatschulen und Universitäten) und wurden in Venezuela quasi verfolgt.
Sie erzählten mir Sachen, die unglaublich waren - dass zum Beispiel auf einer Demonstration gegen Chavez (die friedlich war, ihrer Aussage nach) das Militär das Feuer auf die Demonstrierenden eröffnete und auf einem Nachrichtensender (das war ein nicht staatlicher) ein Standbild geschaltet wurde, da der Sender die Demo live übertragen hatte. Das Ganze ist schon ein paar Jahre her, aber es soll wohl damals um die 100 Tote gegeben haben. Außerdem entließ Chavez ALLE Mitarbeiter staatlicher Unternehmen (hauptsächlich Ölindustrie), die auf einer Unterschriftenliste gegen ihn unterschrieben hatten. Inzwischen soll vor jeder Neueinstellung geprüft werden, ob die Person auch "pro"-System ist - und nicht kontra. Er ist auch der Besitzer der Firma, die die Wahlcomputer zur Verfügung stellt.
Auf der anderen Seite ermöglicht Chavez der ärmeren Bevölkerung Bildung, ermöglicht ihnen ein Studium und eine Lebensmittelversorgung (durch Lebensmittelmarken). Das ist natürlich gut - aber nicht, wenn man die andere Seite sieht und auch, wie die Systemkritiker (hauptsächlich Oberschicht) mundtot gemacht bzw. bedroht werden.
Die beiden hatten wirklich Angst um ihre Familie, und das hat man nicht einfach so.
EDIT: ich will niemanden etwas unterstellen, aber ich finde erstaunlich, wie viele Leute hier für pro stimmen und frage mich, ob sie nur nach dem obigen Text abstimmen oder sich wirklich mit dem Thema "Venezuela" auseinander gesetzt haben (auch angesicht der massigen Menschenrechtsverletzungen, die in dem Land statt finden - Meinungsäußerung beispielsweise, massive Diskriminierung usw usf) Noch ein Link
Dieser Beitrag wurde von bsf: 01 May 2007, 16:10 bearbeitet