Zitat(Even @ 15 Mar 2007, 20:10)
Ich find das is einfach nur Erpressung. Und wenn ich höre, wie gesagt wird, dass es Deutschland nach dem Bau sehr schwer haben wird insgesamt noch mal für irgendwas nen Weltkulturerbetitel zu bekommen krieg ich einfach nur das kotzen. Es nervt langsam so dermaßen. Ich versteh gar nich was das soll.

Gut, ich werde es dir erklären. Erstmal ist es keine Erpressung, weil bei Erpressung geht es um Bereicherung. Den Fall den du meinst, bezeichnet man als Nötigung. Aber wir wollen uns nicht mit Haarspaltereien aufhalten.
Die Idee die hinter dem Weltkulturerbe steht ist relativ simpel. Man möchte gerne bedeutende und besonders schöne Bauwerke und Landschaften für die komplette Menschheit erhalten. Auch der Schutz gegen Zerstörung durch wandel der sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse ist ein Kernpunkt. Damit dies möglich wird wurde 1972 eine UNESCO Konvention zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt verabschiedet. Es steht jedem Staat frei, diese Konvention zu unterzeichnen. Tut man es aber, so erkennt man deren Artikel 4 an, der folgend lautet:
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Jeder Vertragsstaat erkennt an, daß es in erster Linie seine eigene Aufgabe ist, Erfassung, Schutz und Erhaltung in Bestand und Wertigkeit des in seinem Hoheitsgebiet befindlichen, in den Artikeln 1 und 2 bezeichneten Kultur- und Naturerbes sowie seine Weitergabe an künftige Generationen sicherzustellen. Er wird hierfür alles in seinen Kräften Stehende tun, unter vollem Einsatz seiner eigenen Hilfsmittel und gegebenenfalls unter Nutzung jeder ihm erreichbaren internationalen Unterstützung und Zusammenarbeit, insbesondere auf finanziellem, künstlerischem, wissenschaftlichem und technischem Gebiet.
Vollständige KonventionDer Status Weltkulturerbe ist nicht nur ein Prädikat, dass man von einer Gruppe Historikverliebter aufdrücken lässt. Vielmehr muss sich jedes Land, jede Stadt, die diese Auszeichnung erhält, darum bewerben. Des weiteren erkennt man mit der Bewerbung nicht nur an, dass man eben diese Auszeichnung erhält, sondern damit auch eine Reihe Verpflichtungen, um die ausgezeichnete Stätte zu erhalten.
Trotzdem kann man nicht von Nötigung sprechen, wenn die Welterbekommission droht, den Status zu entziehen. Denn die Kommission ist lediglich ein Gremium, was beauftragt ist, festzustellen, welche Stätten den Status erfüllen. Tuen sie dies nicht mehr, ist es eine natürliche Folge, dass sie von der Liste wieder gestrichen werden (was übrigens noch nie vorgekommen ist). Für eine Nötigung fehlt aber, dass die Drohung verwerflich (sozial unerträglich / sozialethisch zu missbilligen) ist. Denn man kann der Welterbekommission nicht vorwerfen, dass der Hinweis auf den Verlust eines Welterbestatus sozial unerträglich sei (die Staaten haben ja die Konvention anerkannt, und auch unter der Bevölkerung herrscht mehrheitlich die Meinung vor, dass ein Weltkulturerbe nichts schlechtes ist).
Ich hoffe, dass du jetzt die Bedeutung, die hinter einem Weltkulturerbe steht erkannt hast. Jetzt werde ich dir erläutern, warum das Urteil solche Auswirkungen auf Deutschland haben kann.
Im Urteil wird festgestellt, dass der Bürgerentscheid ein Akt mit direkter Bindung ist. Dem gegenüber hat man festgestellt, dass die Bindung aus der Konvention zum Weltkulturerbe, die Deutschland 1976 unterzeichnet hat, bestenfalls eine mittelbare ist. Ob überhaupt eine Bindung besteht, ist unklar und konnte im Rahmen des Urteils nicht herausgefunden werden. Klar ist nur, dass keine direkte Bindung besteht. Deswegen wird der Bürgerentscheid mit seiner direkten Bindung über den Weltkulturerbestatus gestellt.
Dummerweise verpflichtet sich aber jeder, der die Konvention unterschreibt, alles Mögliche zu tun, um die Stätten auch an die nächste Generation weiterzugeben. Man könnte jetzt sagen, dass ein Bürgerbegehren so ein ungeheurer Akt der Demokratie ist, dass nichts darüber geht. Doch es existieren Gesetze, die die Grenzen eines Bürgerbegehrens aufzeigen, z.B. dass nicht direkt in den Finanzhaushalt eingegriffen werden darf. Folglich wäre es auch möglich ein Gesetz zu erlassen, dass ebenso den Eingriff in ein Weltkulturerbe verbietet. Solch ein Gesetz gibt es aber nicht.
Damit ist klar, dass Deutschland die Pflichten aus der Konvention nicht erfüllt. 1976 war man der Meinung, dass der Schutz von Weltkulturerbe durch die aktuelle Gesetzgebung genügend erfüllt sei. Das Urteil hat gezeigt, dass es dies nicht ist. Dadurch, dass Deutschland seinen Pflichten nicht nachkommt, kann die Welterbekommission nicht davon ausgehen, dass Deutschland fähig ist, Weltkulturerbe konsequent zu schützen.
Das Interessante an der Konvention ist, dass der Fall, dass ein Weltkulturerbe nicht mehr besteht, nicht vorgesehen ist. Die Rote Liste dient dazu, alle Kräfte des Staates und auch der internationalen Staatengemeinschaft zu bündeln, um das Weltkulturerbe wieder zu sichern.
Wie die Folgen ausfallen ist ungewiss. Man kann sich aber denken, dass ein Staat, der seinen Pflichten aus der Konvention nicht nachkommen kann, keine neuen Weltkulturerben anmelden kann. Darüber hinaus könnte es durchaus passieren, dass alle deutschen Stätten auf die Rote Liste aufgenommen werden (eben aus dem Grund, weil es nicht sicher ist, dass sie erhalten werden können). Im schlimmsten Fall werden alle deutschen Weltkulturerbestätten aus der Liste gestrichen. Wie sich das internationale Ansehen entwickelt, sollte so ein Fall eintreten, kann man sich ja vorstellen.
Das war jetzt etwas lang, aber ich hoffe, ich konnte einigermaßen klar machen, von welcher Bedeutung die ganze Sache mit dem Weltkulturerbe ist, die weit über die 20.000 Autos zusätzlich in der Stadt, der Verteuerung der ÖPNV-Tickets und der Zerschneidung von zwei Elbwiesen hinausgeht.
Wenn du noch Fragen hast, bin ich gerne bereit darauf einzugehen.
@Gizz: den Verweis auf die Vorlesungen der Verkehrsfakultät kannst du bleiben lassen, solange du dort nicht genügend mitgenommen hast um uns hier glaubwürdig darlegen zu können, warum 20.000 Autos mehr in der Stadt die Verkehrslage verbessern sollen. Denn wenn schon du das nicht mal im Ansatz kannst, wie soll es jemand schaffen, der sich vielleicht eine Vorlesung zu dem Thema anschaut. Und hierbei sind leider diejenigen in der Beweispflicht, die die Lösung mit mehr Verkehr vorschlagen.
Differenzplan der BrückenbefürworterIch begreif leider auf dem Differenzbild nicht, wie es Strecken geben kann, auf denen sich das Verkehrsaufkommen erhöht, obwohl sich auf allen angeschlossenen Strecken das Verkehrsaufkommen senkt. Das geht irgendwie logisch nicht, wo kommen denn die Autos her? Fahren die nur auf der Petersbuger hin und her?